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Kosaken Liebe

Kosaken Liebe

Titel: Kosaken Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Früher schickte man mir den Henker ins Haus!«
    »Die Welt verödet, Jermak Timofejewitsch«, antwortete Muschkow trübsinnig und warf sein geschnitztes Holz in den Fluß. »Man verkehrt schon mit uns, als seien wir die gleichen Idioten wie die Stadtmenschen!«
    In Jermaks Hütte hatte sich unterdessen der Pope über den Brief hergemacht. Er war der einzige, der lesen konnte; man hatte es ihn im Kloster gelehrt, aus dem er aber vor siebzehn Jahren ausgebrochen war, um als Kosak an einigen der berühmt-berüchtigten Raubzüge Jermaks am Schwarzen Meer teilzunehmen. Trotzdem blieb er, sehr zur Verblüffung Jermaks, ein Pope, baute diese kleine Kirche in Blagodornje und schloß sich neuen Raubzügen an, aber nur, um sich aus anderen Kirchen die fehlenden Ikonen und Heiligenfiguren zu beschaffen, die Segnungskreuze und die Meßgefäße. So kam es, daß das Kirchlein von Blagodornje eine der schönsten Ikonostasen besaß, mit Edelsteinen besetzte Gefäße und reiche Priestergewänder von Patriarchen.
    »Tatsächlich ein Brief!« rief Jermak, als der Pope das Schreiben hochhielt und mit ihm über die Köpfe der anderen wedelte. Was an Männern im Dorf war, drängte sich in Jermaks Haus, um diese Sensation mitzuerleben: Jemand, irgendwo dort oben im Norden, schreibt nach Blagodornje! Es war ein Jahrhunderttag, und er wurde es, für Rußlands Geschichte und für die Weltgeschichte, wirklich!
    »Ruhe, ihr Eisentöpfe!« brüllte Oleg Wassiljewitsch Kulakow, der Pope, mit seinem dröhnenden Baß. »Ich lese vor! Jermak Timofejewitsch, der Brief kommt von einem Semjon Stroganow aus Orjol an der Kama …«
    »Er kann vom Mond kommen, der ist genauso unbekannt!« sagte Jermak und setzte sich. Er musterte die drei Boten, die noch immer in der Ecke des Zimmers lagen, verschüchtert, Angst in den Augen, bleich wie ein Leintuch. »Was will dieser Semjon an der Kama?«
    »Er schreibt: ›An den Kosaken-Hetman Jermak Timofejewitsch, gegeben am 6. April 1579 zu Orjol. Lieber, in Christus vereinter Bruder Jermak …‹«
    »Ein Idiot!« sagte Jermak laut.
    »Der Anfang klingt aber gut!« Der Pope sah Jermak strafend an. »Ich lese weiter: ›Wir haben von Dir und Deinen Taten gehört, von Heldentum, von Verfolgung und Strafe, und wir haben im Vertrauen auf Gott die Hoffnung, Dich davon überzeugen zu können, daß es besser ist, das eines christlichen Kriegers unwürdige Handwerk aufzugeben, kein Räuber mehr, sondern Krieger des Weißen Zaren zu sein, keine unrühmlichen Gefahren mehr zu suchen, sondern sich mit Gott und Rußland auszusöhnen.‹«
    »Doch ein Idiot!« sagte Jermak noch lauter. Er sah die drei Boten an und beugte sich vor. »Wer ist dieser Semjon Stroganow, he?«
    »Der reichste Mann Rußlands«, antwortete einer der Boten zögernd.
    »Das klingt wieder gut. Lies weiter, Pope!«
    »›Wir haben Festungen und Ländereien, aber wenig Mannschaft. Kommt und helft uns, Groß-Perm und die östliche Grenze der Christenheit zu schützen …‹«
    »Festungen und Ländereien …«, wiederholte Jermak nachdenklich. »Und hinter der Grenze liegt ein unbekanntes Land. Man sollte sich dieses Angebot überlegen. Was wir da oben auch tun, wir tun's für den Zaren. Und für die Christenheit!« Er streckte die etwas krummen Reiterbeine aus und blickte hinüber zu seinem Freund Muschkow.
    Dessen Augen strahlten. Ob Kama oder Schwarzes Meer, ob Ural oder Wolga – die Stille war vorbei, das Herumsitzen, das Bravsein, die Langeweile, die einen durchbohrte wie ein Wurm. Man konnte wieder auf dem Rücken der Pferde sitzen und mit Schreien, die das Blut erstarren ließen, in die Dörfer und Siedlungen stürmen … Unbekanntes, reiches Land … Denn es mußte reich sein, weil noch keine Kosaken dagewesen waren.
    »Wir stimmen ab!« sagte Jermak laut, nachdem er Muschkows leuchtenden Blick verstanden hatte. »Keiner soll gezwungen werden, Blagodornje zu verlassen. Aber wer mit mir ziehen will, kommt am Abend auf den Festplatz!« Er sprang auf, ging durch eine Gasse begeistert klatschender Hände und drehte sich an der Tür noch einmal um. »Schickt Werber den Don hinauf und hinab. Trommelt die Leute an der Wolga zusammen. Ich nehme jeden mit, der Mut hat!«
    Das war ein perfider Satz. Welcher Kosak hat keinen Mut? Wer würde es wagen, nach diesem Satz in seinem Dorf zu bleiben und Kohl anzubauen?
    »Brüder, auf zur Kama!« schrie Muschkow aus dem Hintergrund.
    »Und die Garantie?« rief der Pope dazwischen und schwenkte den Brief.
    »Welche
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