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Kosaken Liebe

Kosaken Liebe

Titel: Kosaken Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hieb mit der Faust die Schachfiguren vom Tisch. Auf seiner bleichen Stirn bildete sich kalter Schweiß, seine Brust hob und senkte sich in krampfartigen Atemzügen. »Bogdan!« röchelte er plötzlich. »Bogdan, du hast mich auch verraten! Nur Hyänen sind um mich herum, nur Aasgeier, die meinen Leib zerfleischen wollen. Godunow, Schuisky, Romanow, du … Warum hilft Gott mir nicht? Bin ich nicht sein demütigster Diener?«
    Der Zar wollte aufspringen, aber die Beine versagten ihm den Dienst. Er fiel mit dem Oberkörper über den Tisch, ein schauriges Röcheln brach aus seinem aufgerissenen Mund, die gesunkenen Augen quollen aus den Höhlen hervor …
    »Einen Arzt!« keuchte der Zar. »Bogdan, hol den Arzt! Ich ersticke! Ich ersticke! Gott erwürgt mich …«
    Er fiel auf den Boden, riß sein Gewand über der Brust auf und starrte Bjelski haßerfüllt an. Noch jetzt, in seiner letzten Minute, war das Grausame stärker in ihm als das Menschliche. »Verflucht seid ihr alle!« röchelte er. »O Gott, mein Gott, nimm diese Seelen von mir! Sie sind wieder um mich … Betet für mich …«
    Fürst Bjelski rührte sich nicht. Er stand vor dem sterbenden Iwan IV. und wartete mit zusammengekniffenen Lippen auf das Ende.
    Erst als der Zar sich streckte und die adlergleichen Augen brachen und alles innere Feuer verloren, lief Bjelski zur Tür und schrie nach dem Medikus.
    Durch den Kreml flogen Entsetzen und Befreiung. Boris Godunow kniete neben dem toten Zaren und betete inbrünstig. Boten ritten, wie vom Satan gehetzt, zum Gut des Fürsten Schuisky, um ihm den Tod des Gossudars zu melden. Die letzte Zarin, Marja, die Tochter des Theodor Nagoj, die Iwan haßte, weil er sie nicht mehr richtig lieben konnte, warf den schon lange zurechtgelegten schwarzen Schleier über und ging hinüber zur Auferstehungskirche.
    Die Glocken des Kremls begannen zu läuten und riefen die Glocken des ganzen Landes auf.
    Der Zar ist tot! Gnade seiner Seele! Auf die Knie, Volk, und bete um sein Heil!
    Über Moskau schwang der Klang von Hunderten von Glocken. Die Menschen strömten auf die Straßen, füllten die Plätze, zogen zum großen Kremlplatz und fielen dort zu Boden.
    Der Zar ist tot! Der Grausamste aller Grausamen ist nicht mehr, aber wissen wir, wie grausam der nächste Zar sein wird? Er war ein schrecklicher Vater, aber er war Rußlands Vater. Betet … betet … betet …
    Unter den Tausenden, die vor dem Kreml auf der Erde knieten, umrauscht vom Glockenklang und den Chören, die den Tod des Zaren beweinten, waren auch Alexander Grigorjewitsch Lupin, Iwan Matwejewitsch Muschkow und Marina Alexandrowna Muschkowa. Sie knieten eng nebeneinander auf dem festgestampften Boden, genau auf der Stelle, wo einmal Iwan IV. dreitausend Strelitzen an einem Tag hatte hinrichten lassen, und sie bekreuzigten sich und blickten auf die goldenen Kuppeln der Kirchen, die über der Kremlmauer in der Frühlingssonne glänzten.
    »Der Zar ist tot«, sagte Muschkow leise. »Wird man die Kosaken jetzt begnadigen?«
    »Was geht es dich an, Iwan Matwejewitsch?« fragte Lupin. »Bist du nicht seit einem Jahr der beste Ofenbauer Moskaus?«
    »Trotzdem, Väterchen, es würde mich freuen.« Muschkow wandte den Kopf zu Marina. Sie kniete neben ihm; es fiel ihr schwer, denn sie war schwanger, und ihr Leib wölbte sich. Aber ihr Gesicht war kindlich geblieben, umrahmt von langen blonden Haaren, die sie jetzt nach hinten zusammengebunden trug. Ihr und Iwans Blick trafen sich, und sie lächelte ihm zu, mit jener Zärtlichkeit, vor der es für Muschkow kein Entrinnen gab.
    »Jetzt sind wir endlich wirklich frei!« hörte er Lupin sagen.
    »Ich möchte noch einmal zum Don.« Muschkow senkte den Blick. »Nur einmal noch. Ja, ich bin der beste Ofenbauer Moskaus, aber ich war auch ein Kosak. Jetzt bin ich der ärmste von ihnen …«
    »Bereust du es?« fragte Marina und legte die Hände über ihren gewölbten Leib.
    »Du kannst zurück an den Don, Iwan Matwejewitsch.« Lupin stieß ihn an. »Das Kind wird auch ohne dich groß.«
    »Zurück? Ohne Marinuschka an den Don? Väterchen, ich fühle mich wohl zwischen meinen Öfen.« Muschkow blickte wieder hinauf zu den goldenen Kuppeln der Kirchen. Die Glocken dröhnten, die Menschen sangen Choräle, aus den Toren des Kremls zogen Priester mit Fahnen und rauchenden Weihrauchkesseln.
    »Was soll ich ohne meine Frau, Alter? Sie ist mir mehr wert als eine ganze Pferdeherde in der Steppe …«
    Muschkow beugte sich zu Marina, legte seine
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