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Kosaken Liebe

Kosaken Liebe

Titel: Kosaken Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Abstand. Seit der erste große Stroganow – Anika – mit Salzsieden so reich geworden war, daß er sich einen Palast bauen und sich sogar einen deutschen Hausarzt halten konnte, seit Anika Stroganow zum Hauslieferanten des Zaren ernannt worden war, dem deutschen Kaiser Maximilian einen kostbaren Pelz lieferte, der englischen Königin Elisabeth ein riesiges Zobelcape und weiche, fast gewichtslose Daunenfedern für die Betten der Zarinnen, seitdem wußte man nicht so recht, wieviel Macht nun Anikas Söhnen von Iwan IV. zugestanden wurde.
    Auch lieferten die Brüder alles, was man verlangte: Lachse, Salme, Hechte und Kaviar, Rentierfelle aus der Tundra, Pelze von Zobeln, Eichhörnchen, Hermelinen, Bibern und Füchsen; sogar Perlen hatten sie im Fluß Iksa gefunden, was rätselhaft war, aber sie zeigten sie vor! Und italienischen Wein führten sie in Rußland ein, auf der Handelsmesse in Kola tauschten sie Felle gegen Fässer. Wein war im rauhen Rußland, im Reich der Moskowiter, eine Rarität, und so zahlte sich der Weinverkauf an den Zaren und die Bojaren aus …
    Keine Neider schaffen! Das war von Seiten der Stroganows eine wichtige Regel. Vorsicht – mit Blick auf die Zukunft –, das war die große Sorge aller Fürsten und Bojaren. Und so ging es hin und her mit kleinen Geschenken, mit Wohltaten – Freunde schaffen, Rückendeckung!
    Der Zar war alt geworden, ein Schatten seiner selbst, ein krummer, gebeugter Mensch, der nie überwand, daß er seinen ältesten Sohn im Jähzorn erschlagen hatte. Der neue Zarewitsch war ein Weichling und Halbidiot. Wer kam nach Iwan, wenn der plötzlich starb? Wer übernahm das große, heilige Rußland? Der bullige Bons Godunow? Der kluge Schuisky? Dimitri, der Säugling …?
    Was hatte Anika Stroganow seinen Söhnen als Leitbild mit auf den Weg gegeben? Einnahmen messen – Ausgaben vergessen! Das hieß nichts anderes als sich die Macht kaufen, ganz gleich, wer im Kreml herrschte. Geld brauchen sie alle – die Zaren! Und ohne die Stroganows war die Zarenkasse halb leer. Der Glanz Rußlands stammte aus dem fernen Permer Land, aus der Zentrale einer Handelsdynastie, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte, gegen die die deutschen Fugger in Augsburg nur kleine Krämer waren!
    Durch die Wartenden lief Unruhe. Die Palastwache, riesige Weißrussen in hohen Mützen, die sie noch riesiger machten, besetzte die Eingänge. Der Zar war aus der Kirche zurück. Eine Schar Frauen, verhüllt wie büßende Nonnen, flatterte den Gang entlang wie blaue Nachtvögel: die Zarin mit ihren Hofdamen.
    Die Bojaren steckten die Köpfe zusammen, die Brüder sahen sich an. Die Tür zum Audienzsaal sprang auf. Boris Godunow erschien in einem langen, mit Gold bestickten Mantel, aus dem noch der Geruch des Weihrauchs wehte. Er ging den Stroganows entgegen und gab ihnen die Hand. Sie vor den Augen der Bojaren zu umarmen, würde zu weit gehen, sie waren nicht von Adel, sie blieben Kaufleute. Sie waren Aufgestiegene aus der grauen ›Masse Volk‹, geachtet zwar, aber nicht gleichgestellt.
    Später erst, in den eigenen Räumen, würde Godunow sie auch umarmen, wie es Schuisky getan hatte. Den Stroganows war es gleichgültig, sie kannten ihren Wert besser als Boris Godunow den seinen.
    »Der Zar ist so gnädig, euch anzuhören«, sagte Godunow so laut, daß es alle Herumstehenden hören mußten. »Gott segne den Zaren!«
    »Gott segne ihn!« murmelten im Chor die Brüder Stroganow. Genug der äußerlichen Formalitäten, dachten sie und gingen an Godunow vorbei in den Audienzsaal. Sie senkten die Köpfe. Hinter ihnen fielen die großen Türen zu. Sie waren allein mit Iwan dem Schrecklichen, wie es dieser befohlen hatte. Godunow und Schuisky blieben draußen zurück; ein neuer Beweis, wie hoch der Zar die Brüder Stroganow schätzte! Mit dem Zaren allein zu sein, war wie eine Segnung …
    Was man sich im fernen Permer Land, in Orjol am Fluß Kama, der Residenz der Stroganows, erzählte, sahen sie jetzt vor sich: einen Zaren, der mit ausgezehrtem Gesicht, bleich und verkrümmt, auf seinem Sessel saß, der Kopf beherrscht durch eine Hakennase, die wie der scharfe Schnabel eines Adlers zum Zuhacken bereit war. Das eisgraue Haupt bedeckte eine spitz zulaufende Zobelmütze, der pelzgefütterte Überrock war aus französischem Brokat – aus dem Hause Stroganow. Der Bart des Zaren war ausgefranst, als habe man ihn daran quer durch Moskau gezogen. Iwan stützte sich selbst im Sitzen auf seinen Possoch, den langen
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