Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kosaken Liebe

Kosaken Liebe

Titel: Kosaken Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
geschnitzten, mit Gold und Silber verzierten Stab mit der Eisenspitze, diesen verfluchten Stab, mit dem Iwan geprügelt und getötet hatte, erstochen und aufgespießt. Das Symbol seiner unumschränkten Macht, die sich nur vor einem beugte: vor Gott.
    Das war das Fürchterliche an Iwan dem Schrecklichen: Er mordete und betete dabei.
    Die Brüder Stroganow hielten die Köpfe gesenkt und schielten von unten auf den Zaren. Sie waren betroffen über sein Aussehen und dachten alle drei das gleiche: Heute muß gelingen, was nicht nur die Stroganows, nein, was ganz Rußland zur führenden Macht der Welt machen wird. Heute ist der Tag, an dem das reichste, herrlichste Volk der Erde geboren wird: Groß-Rußland!
    »Meine Krämer!« sagte Iwan laut.
    Die Brüder Stroganow hoben die Köpfe. Die Begrüßung deutete auf gute Laune hin. Wenn Iwan sie ›Krämer‹ nannte, war er zu Scherzen aufgelegt. Sonst titulierte er sie ›Wölfe, die vor meiner Hütte heulen, die ich füttere und die mir als Dank Kot vor die Tür setzen …‹ Es war schwer, mit dem Zaren zu sprechen, das hatte schon Vater Anika gemerkt. Der Erfolg allein zählte. Einnahmen messen – Ausgaben vergessen!
    »Ihr seid der Atem Rußlands, Gossudar«, sagte Jakob, der älteste der Stroganows. »Gott möge vergessen, daß ein Atem sterblich ist …«
    »Was wollt ihr?« Der Zar zeigte auf eine gepolsterte Sitzbank. Die Brüder Stroganow setzten sich artig wie Schulkinder und falteten die Hände. Dann sprach Gregor, denn er hatte das meiste diplomatische Geschick:
    »Wir bringen, großer Zar! Hunderttausend in Gold geprägte Rubel, zweitausend Eichhörnchen, neunhundert blausilberne Füchse …«
    Iwan musterte die Brüder. Sein von jeher stechender Blick war im letzten Jahr noch unerträglicher geworden. Wen diese Augen trafen, der verstummte, denn ihm war die Gnadenlosigkeit begegnet.
    »Das alles holt ihr aus eurem Permer Land?«
    »Nein.« Semjon Stroganow, der Stratege in der Familie, versuchte, dem Blick des Zaren standzuhalten. Es gelang ihm, aber das Herz klopfte ihm dabei bis in den Hals hinauf.
    »Gossudar, Ihr wißt, daß fremde Jäger die Felle zu uns bringen. Über die Felsen und durch die Schluchten des großen Uralgebirges, aus dem Land, das sie Mangaseja nennen …«
    »Mangaseja!« Iwan beugte sich vor und stützte sich schwerer auf den Possoch. »Immer dieses Mangaseja! Schon euer Vater hat mir davon erzählt.«
    »Wir wissen es, Gossudar.« Jakob, der kühle Rechner, sagte es. »Und wir wissen, daß du den Plan hattest, mit Waffengewalt in dieses Land einzudringen, um es für Rußland zu erobern. Das ist unmöglich. Ein Heer muß einen Aufmarschweg haben. Es muß Nachschub erhalten. Menschen und Tiere kann man nicht in eine Wildnis schicken, die noch niemand außer ein paar Waldläufern und Pelzjägern kennt. Die unüberwindliche Felsenkette des hohen Ural liegt dazwischen. Kein Weg führt hindurch, nur schmale Pfade durch Schluchten und über schwindelnde Höhen. Und dahinter …«
    »Mangaseja«, fuhr Semjon fort, »ist ein Land, das man nicht beschreiben kann, dessen Reichtum unvorstellbar für einen Menschen ist.«
    Der Zar stieß den Possoch hart auf den steinernen, mit Fellen bedeckten Boden. »Reden! Reden!« sagte er hart. »Wo bleiben die Taten?«
    Gregor Stroganow, der Diplomat, beugte sich vor. »Wir haben die neuesten Nachrichten aus Mangaseja gesammelt, o Zar. Verschiedene Völkerstämme leben dort, schlitzäugig wie die Chinesen oder Tataren. Im Sommer ist es dort so heiß, daß die Menschen nur in den Flüssen leben, weil ihnen sonst vor Hitze die Haut aufplatzt. Im Winter aber ist es so kalt, daß sie kaum Nahrung finden, und wenn sie kein Rentier erlegen können oder durch das dicke Eis nicht an die Fische in den Flüssen kommen, fressen sie sich gegenseitig auf. Man nennt sie deshalb auch Samojeden, was soviel wie ›Selbstfresser‹ heißt. Andere Völker in diesem Land haben den Mund oben auf dem Kopf und können nicht sprechen. Ein Volk läßt sich im Winter einfrieren, braucht dann keine Nahrung und läßt sich von der Frühlingssonne wieder auftauen.«
    »Das sind Märchen«, sagte Iwan zurückhaltend, »so etwas gibt es nicht, Krämer.« Aber die Brüder Stroganow sahen, daß der abgeschossene Pfeil im Herzen des Zaren gelandet war.
    »In Mangaseja gibt es noch anderes, o Zar: Völker, die sich riesige Herden schwarzer Zobel halten – als Schlachtvieh! Wertvolle schwarze Zobel, nur um sie zu essen! Blaufüchse melken sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher