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Kosaken Liebe

Kosaken Liebe

Titel: Kosaken Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    »Die Kosaken sind die einzigen, die es mit Kutschums Reitern aufnehmen können«, sagte Nikita Stroganow, nachdem er genug Material über die Leute vom Don und den Steppen am Kaspischen Meer gesammelt hatte. »Erschlagen, gehenkt oder gejagt zu werden, das ist ihr Leben! Wenn wir Mangaseja erobern wollen, dann nur mit diesen Leuten. Wir sollten mit ihnen reden …«
    Semjon, der letzte Überlebende der drei Brüder, bewunderte den Scharfblick seiner Neffen und war stolz auf sie. Seit fünf Jahren lag Iwans Urkunde, die die Stroganows zu den reichsten Männern der Erde machen konnte, ungenutzt im Schrank. Es war ein Zustand des Dahinstaubens, der Semjon körperlich weh tat. Aber bis zu dieser Stunde hatte er nicht einen Ausweg gesehen, ohne die Truppen des Zaren in Sibirien einzufallen.
    »Ich schreibe den Kosaken einen Brief«, sagte er zu Nikita und Maxim. »Wer ist ihr Anführer?«
    »Der berühmteste ist Jermak Timofejewitsch, vom Gouverneur der Provinz zum Tode verurteilt, aber nie gefangen …« Maxim Stroganow blickte in seine Papiere. »Für die Völker an der Wolga eine wahre Gottesplage, aber die Menschen am Don nennen ihn ›Das mutige Brüderchen‹. Was willst du ihm schreiben, Onkel?«
    »Daß Gott sie braucht!« sagte Semjon Stroganow milde. »Das liest sich immer gut.«
    Nikita lehnte sich auf seinem Fellstuhl zurück und lachte. Er war von Natur aus ein fröhlicher Mensch. »Für Gott haben sie noch nie geraubt und geplündert.«
    »Aber wir müssen sie bezahlen.« Semjon klingelte. Ein Sekretär kam mit einem aus Silber getriebenen Tintenfaß und einigen Federkielen herein. »Wenn euer Großvater Anika das erlebt hätte …«, sagte Semjon leise und gerührt. »Sibirien war der große Traum seines Lebens – wir werden ihn erfüllen!«
    Das Dorf Blagodornje liegt irgendwo am Don, umgeben von Steppen und Birkenhainen, Kirschgärten und wilden Rosen. Ein paar Häuser aus roh behauenem Holz stehen da; eine festgestampfte Straße, mit Zäunen eingefaßte Beete und sogar eine winzige Kirche gibt es.
    Vor sich die trägen Wasser des Don, hinter sich die unendliche Steppe, über sich den weiten blauen Himmel … Es hätten hier Menschen leben müssen, denen der Begriff ›Ewigkeit‹ bewußt geworden war.
    Aber das Gegenteil war der Fall: Blagodornje hatte schon alles erlebt, was Vergänglichkeit bedeutete, war dreimal von zaristischen Truppen verbrannt und zum viertenmal wieder aufgebaut worden, hatte die Strafexpeditionen des Zaren überstanden, hatte Hinrichtungen seiner Männer, die man fassen konnte, überlebt, und Racheschwüre der Zurückgekommenen gehört, wenn die Gefahr vorbei war.
    Zur Zeit herrschte Frieden. Die Männer, die sich stolz Kosaken nannten, hatten ihre Raubzüge nach dem Süden verlegt und plünderten die Nomaden aus, die vom Asowschen Meer aus nach neuen Weidegründen suchten. Das störte den Zaren in Moskau wenig, brachte aber auch wenig ein. Erneut mit Moskau Streit anzufangen, war Jermak noch zu gefährlich; der Nachwuchs war noch nicht so weit gediehen, um die stark gelichteten Reihen der Reiterhorden aufzufüllen. Was aus den vergangenen Kriegen übrig war, sehnte sich nach etwas Ruhe und Entspannung. Ab und zu ein Überfall, das war gewissermaßen eine Art Übung, um nicht völlig zu verbauern. Denn das war das Schrecklichste, was einem echten Kosaken geschehen konnte.
    Es war an einem Apriltag des Jahres 1579, als drei staubbedeckte Reiter in Blagodornje erschienen und nach dem Haus Jermak Timofejewitschs fragten. Da solche Fragen von Fremden immer Unheil bedeuteten, riß man die drei zunächst von den Pferden, leerte ihnen die Taschen, was ein guter Kosak nie vergißt, und verhörte sie auf dem Festplatz zwischen Don und Kirche.
    Die Aussage, daß sie von den Kaufleuten Stroganow kämen und eine Botschaft an Jermak hätten, sagte den Kosaken zunächst nichts. Am Don war das Haus Stroganow unbekannt.
    Aber das sollte sich an diesem Apriltag ändern.
    Man schleifte die drei Männer in Jermaks Haus, warf sie in eine Ecke und schickte Reiter aus, um Jermak zu suchen. Er saß friedlich am Don, angelte und unterhielt sich mit seinem Freund Iwan Matwejewitsch Muschkow, der auf dem Rücken lag, an einem Stück Holz schnitzte und an die vergangenen großen Tage dachte.
    »Ein Brief?« fragte Jermak, als die Reiter ihn gefunden hatten. »An mich? Von einem Stroganow? Es gibt noch jemanden, der mir einen Brief schreibt? Die Zeiten ändern sich wirklich, Iwan Matwejewitsch.
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