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Schattenwandler 01. Jacob

Schattenwandler 01. Jacob

Titel: Schattenwandler 01. Jacob
Autoren: Jacquelyn Frank
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„Ich habe schon alles gesehen, was man sich nur vorstellen kann, und ich habe es überstanden, Noah. Niemand wird zu Schaden kommen, und solange ich atme, wird auch niemand die Erlaubnis erhalten, anderen Schaden zuzufügen.“
    „Aber es wird immer schwerer, oder nicht?“ Noah sah auf, und ihre Blicke trafen sich. „Du hast jedes Jahr mehr zu tun und wirst immer niedergeschlagener. Jedes Jahr sehe ich, wie die erfahrensten Ältesten die Kontrolle über sich verlieren, als würden sie sich wieder im ersten Jahrhundert ihres Lebens befinden. Sag mir, dass ich mich irre.“
    „Das kann ich nicht behaupten“, entgegnete Jacob und seufzte schwer, während er sich mit den langen Fingern durch sein dichtes schwarzbraunes Haar fuhr. „Erst vor zehn Jahren musste ich Gideon disziplinieren. Unter der Handvoll Dämonen, von denen ich geglaubt hatte, sie seien immun gegen diesen Wahnsinn, stand der alte Gideon an erster Stelle. Gideon , Noah!“ Jacob schüttelte beklommen den Kopf bei der Erinnerung an dieses fürchterliche Ereignis.
    „Und er leckt immer noch seine Wunden. In den letzten acht Jahren hat Gideon nicht einmal seine Festung verlassen.“
    „Das wird er sicher auch nicht tun, solange hier alles nur noch schlimmer wird.“ Jacob runzelte mürrisch die Stirn, während er sich gegenüber von Noah in einen Stuhl sinken ließ. „Sein Platz am Tisch des Rates verstaubt langsam, und wir sind … nicht vollzählig.“
    Noah war sich wohl bewusst, wie traurig Jacob darüber war, aber er wollte nicht zulassen, dass er darin versank. „Im Moment ist es am besten so“, sagte er. „Ich glaube kaum, dass du besonders begierig darauf bist, ihn ein zweites Mal in die Schranken zu weisen.“
    „Nein. Ganz bestimmt nicht. Aber ich weiß auch, dass es ihm überhaupt nicht hilft, wenn er sich einfach zurückzieht. Dadurch wird es irgendwann nur zu einer weiteren verheerenden Auseinandersetzung zwischen Gideon und mir kommen.“
    Die Bitterkeit in Jacobs Stimme entging dem König nicht. Noah hatte noch nie jemanden kennengelernt, der so viel Verantwortungsgefühl, Loyalität und moralischen Anspruch besaß wie der Vollstrecker. Erst im Tod würde Jacob eines Tages von seinem Amt zurücktreten. Dieser Vollstrecker würde niemals freiwillig in den Ruhestand gehen.
    Aber seit einer Weile stimmte mit Jacob irgendetwas nicht. Jahr für Jahr war er gezwungen, auch die Ältesten, die er am meisten respektierte, zu maßregeln, wenn der Wahnsinn sie mit einem Mal überkam. Und das belastete Jacob sehr.
    Das Schlimmste, vermutete Noah, war sicher die Bestrafung von Gideon gewesen. Davor war Jacob der einzige Dämon gewesen, der von sich behaupten konnte, eine Art Freundschaft zu dem Urältesten zu pflegen. Das hatte so lange gedauert, bis der Vollstrecker gezwungen war, sich zwischen dieser Freundschaft und dem Gesetz zu entscheiden. Eine andere Möglichkeit hatte es nicht gegeben. Jedenfalls nicht für Jacob. Das Gesetz war sein Leben. Ein Vollstrecker mit Jacobs Pflichtgefühl und Hingabe an seinen Auftrag würde, sollte er jemals gegen das Gesetz verstoßen, daran zugrunde gehen.
    Noah war sich bewusst, dass es ihm, wenn er während einer dieser heiligen Vollmondnächte den Verstand verlieren würde und Jacob dazu gezwungen wäre, ihn wie ein widerspenstiges Kind zusammenzustauchen, schwerfallen würde, dem Vollstrecker das nicht übel zu nehmen. Natürlich wäre es nur zu seinem Besten, im Sinne der gesamten Gattung der Dämonen und auch der wehrlosen Menschen, mit denen sie zusammenlebten. Aber die Ältesten der Dämonen waren ein ziemlich stolzer Haufen, und Noah bildete da keine Ausnahme. Sich eine Schwäche zu erlauben war schon schlimm genug. Doch wenn Jacob das mitbekam, war es noch schlimmer. Und wenn der Vollstrecker einen brutal bestrafte, wie das Gesetz es verlangte, war das einfach unerträglich.
    Noah beneidete Jacob nicht im Geringsten um seine Position.
    In diesem Augenblick hob der Vollstrecker den Kopf, sah nach links, und seine ganze Gestalt spannte sich an. Noah spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten, als die mächtigen Sinne des anderen Dämons den Raum erfüllten. Jeder von ihnen hatte besondere Fähigkeiten, in denen er alle anderen übertraf, und Jacob hatte einen äußerst scharfen Jagdinstinkt.
    „Myrrh-Ann kommt“, sagte Jacob, stellte sein Glas auf Noahs Schreibtisch und erhob sich. „Sie ist sehr aufgewühlt.“
    Im selben Moment flogen die beiden großen Türen am Ende des Raumes auf.
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