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Schattenwandler 01. Jacob

Schattenwandler 01. Jacob

Titel: Schattenwandler 01. Jacob
Autoren: Jacquelyn Frank
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ihrem Anblick leise lächeln musste.
    Kane war sich seiner Macht über dieses Fleisch vollkommen bewusst. Lässig schlenderte er auf seine Beute zu und streckte die Hand aus, um ihr übers Gesicht zu streichen. In ihren Augen erkannte Jacob, dass Kane sie führte und dass er sie dazu brachte, sanft und nachgiebig zu sein und willig ihre Wange in seine geöffnete Hand zu schmiegen.
    Die zärtliche Geste war eine Lüge. Was scheinbar so liebevoll begann, würde ganz anders enden. Es war unvermeidlich und lag in der Natur ihrer Art. Darum hatte er Kane nicht vorwarnen können, wie er es schon Hunderte … nein, Tausende Male zuvor getan hatte.
    Jacob hatte genug gesehen.
    Mühelos sprang Jacob ab, schraubte sich in die Luft, überschlug sich einmal elegant und landete lautlos hinter der rothaarigen Frau. Er legte seine Tarnung so unvermittelt ab, dass Kane erschrocken die Luft einzog. Der junge Dämon erstarrte mitten in der Bewegung, und Jacob brauchte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was Kane gerade dachte.
    Der Vollstrecker war gekommen, um ihn zu bestrafen.
    Der junge Dämon schluckte sichtbar, die Furcht stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er riss seine Hand zurück, als habe er sich an der Wange der Rothaarigen verbrannt, und der Bann, mit dem er sie belegt hatte, löste sich.
    Sie blinzelte, als ihr plötzlich bewusst wurde, dass sie zwischen zwei fremden Männern stand und überhaupt keine Ahnung hatte, wie sie dorthin gekommen war.
    „Kontrolliere ihr Bewusstsein, Kane. Mach es nicht noch schlimmer für sie, weil sie Angst bekommt.“
    Kane gehorchte auf der Stelle. Die hübsche Frau entspannte sich sofort und lächelte sanft, als befinde sie sich in der vertrauten Gesellschaft alter Freunde.
    „Jacob, was treibt dich denn in so einer Nacht aus dem Haus?“
    Jacob ließ sich weder von Kanes Stichelei beirren noch von dessen Versuch, durch aufgesetzte Ungezwungenheit das Gesicht zu wahren. Der Vollstrecker wusste, der andere Dämon war nicht von Grund auf böse. Er war einfach unerfahren. Und wenn man die Bedingungen betrachtete, die in dieser Nacht herrschten, war es nicht überraschend, dass seine niederen Instinkte ihn in die Irre führten.
    Allerdings änderte das nichts an den Tatsachen. Kane war auf frischer Tat ertappt worden. Seine reflexartige Reaktion war ein verständlicher Versuch, sich der drohenden Bestrafung zu entziehen. Er versuchte es zwar zunächst mit Humor, würde aber auch zu jedem anderen ihm zur Verfügung stehenden Mittel greifen, falls es nötig war.
    „Du weißt, warum ich hier bin“, sagte der Vollstrecker kalt, um jede Gegenwehr im Keim zu ersticken.
    „Vielleicht“, erwiderte Kane und senkte den Blick seiner tiefblauen Augen, während er die Hände tief in die Taschen stieß. „Ich wollte nichts machen. Ich war nur … unruhig.“
    „Ich verstehe. Und um deine Unruhe loszuwerden, wolltest du dir diese Frau nehmen?“, fragte Jacob geradeheraus und verschränkte die Arme vor der Brust. Er sah aus wie ein Vater, der seinem missratenen Sohn eine Standpauke hielt. Irgendwie war das ein amüsanter Gedanke, da Kane im Begriff war, das zweite Jahrhundert seines Lebens zu beginnen. Doch die Angelegenheit war einfach viel zu ernst, um zu scherzen.
    „Ich wollte ihr nichts antun“, beteuerte Kane.
    Jacob bemerkte, dass der junge Dämon tatsächlich dieser Meinung war. „Ach, nein?“, entgegnete er. „Und was wolltest du dann tun? Sie höflich fragen, ob sie nicht Lust hätte, mal mit dem wilden Tier in dir Bekanntschaft zu machen? Wie genau drückt man so was aus?“
    Kane schwieg trotzig. Er wusste, dass der Vollstrecker seine Gedanken von dem Moment an gelesen hatte, als er beschlossen hatte, auf Beutezug zu gehen. Es abzustreiten würde die Lage nur verschlimmern. Außerdem stand der Beweis für seine Verfehlung direkt zwischen ihnen.
    Für einen kurzen Augenblick waren Kanes Gedanken erfüllt von den Bildern dessen, was eigentlich hätte passieren sollen, auch wenn es noch schlimmer gewesen wäre, wenn man ihn dabei ertappt hätte. Ein sündiges Zittern durchlief seinen Körper, und sein Blick glitt begehrlich über die Frau, die so wunderbar ruhig und heiter vor ihm stand. Wenn Jacob doch nur eine halbe Stunde später gekommen wäre …
    „Kane, es sind schwierige Zeiten für unser Volk. Du bist genauso anfällig für diese niederen Bedürfnisse wie jeder andere Dämon“, erklärte der Vollstrecker mit unerbittlicher Entschlossenheit. „Trotzdem bist du in zwei
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