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Schattenwandler 01. Jacob

Schattenwandler 01. Jacob

Titel: Schattenwandler 01. Jacob
Autoren: Jacquelyn Frank
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Schwefelwolke.
    Jacob stand noch eine ganze Weile auf dem Bürgersteig, die Sinne aufs Äußerste geschärft, bis er sicher war, dass Kane wirklich nach Hause zurückkehrte. Es war nicht ungewöhnlich, dass ein Dämon flüchtete und sich aus Furcht vor drohender Strafe irgendwo versteckt hielt. Doch Kane war wieder auf dem richtigen Weg – in mehrfacher Hinsicht.
    Jacob wandte sich um und sah in die Richtung, in die das Menschenpaar verschwunden war. Es verblüffte ihn immer wieder, wie schwach ausgeprägt die menschlichen Instinkte waren. Ihre kulturellen und technologischen Errungenschaften hatten sie im Laufe der Zeit ihre Intuition gekostet. Diese Frau würde niemals begreifen, wie knapp sie der Gefahr entronnen war. In der Dunkelheit einer verfluchten Nacht wie dieser auf einen unberechenbaren Dämon zu treffen war nichts, wonach ein Sterblicher sich sehnte.
    Mit einem Gedanken schüttelte Jacob die Kraft der Erdanziehung ab und erhob sich vom Boden, ohne auch nur einen Lufthauch zu verursachen. Sein langer athletischer Körper durchschnitt die Schwärze der Nacht wie eine herrliche, fein geschliffene Klinge. Er stieg höher als die Wolkenkratzer, hinter deren Fenstern so manches Licht protestierend flackerte, als er vorbeikam, und schoss dann hinauf in den klaren Nachthimmel.
    Erst dort hielt Jacob inne. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er den wächsernen Mond. Es war immer das gleiche Spiel vor und nach dem Vollmond zu Beltane im Frühling und zu Samhain im Herbst. Diese Feiertage waren allen Dämonen heilig, und doch standen sie auch für den Fluch, der sie geißelte. Die Unruhe in seinem Volk würde in der kommenden Woche noch zunehmen und bei Vollmond ihren Höhepunkt erreichen. Alte wie junge Dämonen gerieten dann auf Irrwege. Und selbst die Ältesten würden Mühe haben, der Versuchung zu widerstehen.
    Nicht ohne Grund war gerade Jacob als Vollstrecker auserkoren worden. Er verfügte über eine unermessliche Selbstbeherrschung. Selbst der Herrscher der Dämonen war anfälliger für diesen bevorstehenden Wahnsinn als er, und das wollte etwas heißen. Denn in den vierhundert Jahren als Vollstrecker war Jacob noch niemals genötigt gewesen, Noah, den Dämonenkönig, zur Ordnung zu rufen.
    Und dafür war Jacob dankbar. Es lag nicht in seinem Interesse, sich mit Noah zu messen. Der Herrscher hatte seine Stellung nicht in einer Erbfolge angetreten, sondern sie sich durch seine Fähigkeiten als Führer und durch seine unglaublichen Kräfte erkämpft.
    Während Jacob weiterflog, gingen ihm Gedanken durch den Kopf, die eher philosophischer Natur waren.
    Was war schwieriger? Der Vollstrecker zu sein oder der König, der den Vollstrecker auswählen musste? Denn bei seiner Wahl hatte Noah damit rechnen müssen, dass er Jacob eines Tages selbst Auge in Auge gegenüberstehen würde.
    Er war ein tapferer Führer, der immer bemüht war, die beste Entscheidung zu treffen. Auch wenn er sie eines Tages vielleicht bereute.
    Noah blickte von seinem Buch auf. Die Energiewirbel, die Jacobs Ankunft vorausgingen, erreichten ihn lange bevor der Vollstrecker selbst in einem Schauer aus Staub durchs Fenster geweht kam und seine athletische Gestalt formte. Der Vollstrecker hätte sein Kommen auch genauso gut bis zu diesem Moment tarnen können, doch bei Noah kündigte er sich immer an. Aus Respekt.
    Der Dämonenkönig betrachtete den anderen Ältesten, der jetzt in normaler Gestalt noch einen Augenblick vor ihm über dem Boden schwebte. Dann landete Jacob mit jener fließenden Eleganz, die allen seinen Bewegungen innewohnte.
    Noah lehnte sich zurück, und seine mächtige Erscheinung füllte den breiten Stuhl aus Eiche vollkommen aus. Während Jacob sehnig und flink war, wirkte Noah eher breit und muskulös. Das war unter seiner engen braunen Reithose und dem Seidenhemd, das extra für seine breiten Schultern angefertigt worden war, gut zu erkennen. Trotzdem strahlte Noah eine ganz eigene Eleganz aus, wie er lässig die Beine in den schwarzen Stiefeln übereinanderschlug. Einen Augenblick lang saß er schweigend da und musterte den Vollstrecker.
    „Ich gehe davon aus, du hast deinen jüngeren Bruder rechtzeitig gefunden, um ihn daran zu hindern, irgendein Chaos anzurichten“, sagte er schließlich.
    „Selbstverständlich“, erwiderte Jacob knapp und strich Kane von der Liste der Themen, die er im Moment diskutieren wollte.
    Noah verstand und nahm es hin. Er beobachtete Jacob, während der sich etwas zu trinken eingoss, kurz am
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