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Schattenkinder - im Zentrum der Macht

Schattenkinder - im Zentrum der Macht

Titel: Schattenkinder - im Zentrum der Macht
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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Hand hielt. Er hob langsam die Hände und hoffte dabei, dass es aussehen möge wie die internationale Geste für Kapitulation und friedliche Absichten.
    »Also,
Freund
, was hast du hier verloren?«, fragte Mrs Talbot und lenkte den Lichtstrahl wieder in sein Gesicht. »Warum tauchst du ausgerechnet heute hier auf? Und warum schleichst du dich durch den Keller herein anstatt einfach an der Haustür zu klingeln?«
    »Aber das habe ich doch!«, antwortete Trey verzweifelt. »Und dann habe ich gesehen, wie man Mr Talbot weggebracht hat, und bekam es mit der Angst zu tun, außerdem habe ich nicht erwartet, dass jemand hier ist, ich komme gerade von den Grants, wissen Sie   –« Er konnte nur noch stammeln. Seine sonstige Sprachgewandtheit schien ihn völlig im Stich zu lassen.
    »Den Grants?«, unterbrach ihn Mrs Talbot. Ihre Stimme stockte ein wenig. »Oh, Gott sei Dank! Warum hast du das nicht gleich gesagt? Ich hatte solche Angst. . . . Ich hätte wissen müssen, dass die Grants herausfinden würden, was passiert ist, und dass sie jemanden schicken, um mir zu helfen. Ich bin ja so froh!«
    »Ähm, Ma’am?«, sagt Trey. »Die Grants sind   –« Trey brach ab. Selbst er merkte, dass dies vermutlich nicht der richtige Augenblick war, um ihr zu sagen, dass Mr und Mrs Grant tot waren, dass er ihre Ermordung in der vergangenen Nacht selbst miterlebt hatte und dass ihr Tod der Grund war, warum er sich Hilfe suchend zu Mr Talbot geflüchtet hatte.Mrs Talbot schien dagegen zu glauben, dass er ihr helfen würde.
    Und wenn nun alle auf der Suche sind nach jemandem, der sie rettet?
, fragte er sich. Es war ein merkwürdiger Gedanke, den sein Kopf einfach nicht akzeptieren wollte. Er schien zu nichts zu passen, was er sonst noch wusste.
    Doch Trey hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn mit einem Mal knipste Mrs Talbot die Taschenlampe aus und schaltete ein riesiges Deckenlicht an.
    »Diese Dunkelheit ist mir unheimlich«, sagte sie. »Und überflüssig, wenn du wirklich von den Grants kommst.«
    Bei Licht konnte Trey alles sehen. Die Scheiben, die er gegeneinander gestoßen hatte, waren Gewichte, die eigentlich zu einer Langhantel gehörten. An der gegenüberliegen den Wand waren verschiedene Geräte zum Gewichtheben aufgereiht, die man jedoch allesamt auseinander genommen hatte. Flaschenzüge hingen lose herum, Bänke waren aus der Verankerung gerissen – der Raum sah aus, als sei ein Orkan hindurchgefegt. Trey wandte den Kopf ab und blickte eine lange Treppe hinauf. Oben stand Mrs Talbot.
    Und sie war . . . wunderschön.
    Trey hatte in seinem Leben noch nicht viele Frauen gesehen. Wenn er die Mädchen nicht mitzählte, hatte er im Grunde nur eine gekannt: seine Mutter, mit ihren tiefen Furchen um die Mundwinkel, den Sorgenfalten auf der Stirn und der Enttäuschung in den Augen. Sie hatte stets formlose Kleider getragen und nicht zusammenpassende, löchrige Pullover, immer einen über dem anderen, auf der ständigen Suche nach Wärme. Trey hatte angenommen, sie habe schon immerstumpfes, graues Haar gehabt; er hat sich sogar gefragt, ob sie vielleicht schon als kleines Mädchen grauhaarig gewesen war.
    Mrs Talbots Haar war rot – so leuchtend und lebendig, dass Trey sich wunderte es nicht schon im Dunkeln gesehen zu haben. Ihr Gesicht war zart und glatt. Selbst der Schrecken darüber, in ihrem Keller einen Eindringling entdeckt zu haben, hatte ihrer Haut nur einen gesunden rosigen Schimmer verliehen. Und ihr Körper hatte Kurven . . . War sie nicht auch eine Mutter? So hatten Mütter doch nicht auszusehen, oder?
    Trey wurde rot, doch er konnte gar nicht aufhören sie anzustarren.
    »Also, was raten die Grants mir zu tun?«, fragte Mrs Talbot. »Ich bin in fünf Minuten reisefertig. Der Wagen ist gepackt. Wie schnell, glauben sie, können sie George rausholen?«
    »Ma’am?«, sagte Trey und die Röte in seinem Gesicht vertiefte sich noch, weil ›Ma’am‹ für diese Frau ein viel zu matronenhafter Ausdruck war. »Sie haben mich nicht . . . ich meine – ich kann nicht   –«
    Mrs Talbots Hand schien die Taschenlampe ein wenig fester zu packen.
    »Haben dich die Grants nun geschickt, um mir zu helfen, oder nicht?«, fragte sie scharf.
    »Ich möchte Ihnen gern helfen«, erwiderte Trey. »Wirklich. Ich werde alles versuchen. Aber – ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    Trey spürte, wie sich die Last dieser Worte auf seine Schulternlegte. Es war, als hätte er eine der Langhanteln aufgehoben, die zu seinen
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