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Schattenkinder - im Zentrum der Macht

Schattenkinder - im Zentrum der Macht

Titel: Schattenkinder - im Zentrum der Macht
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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geschwärmt kamen. Doch Trey konnte sich nicht bewegen. Er konnte nur daran denken, was ihm das Davonrennen und Kämpfen einbringen würde. Er konnte die Schüsse förmlich hören, die fallen würden, konnte die Hände sehen, die ihn packen und auf ihn einschlagen, vielleicht sogar erschlagen würden.
    Lieber lasse ich mich lebend fangen und bleibe ruhig und folgsam. Vielleicht bringen sie mich dann nicht gleich an Ort und Stelle um.
    Nein, sie würden ihn lediglich foltern, um ihn dazu zu bringen, alle zu hintergehen, die er kannte. Egal, was geschah, Trey hatte keine Chance.
    Dann hörte er, was der Junge in sein Walkie-Talkie rief.
    »Veranda ist sauber«, sagte er. »Niemand hier.«
    Sprachlos starrte Trey zu dem Jungen hinauf. Er war so verblüfft, dass er das Krächzen nicht verstand, das als Antwort aus dem Funkgerät drang.
    »Bestätigt«, sagte der Junge. »Ich begebe mich sofort zum Suchtrupp im Garten.«
    Er blieb gerade noch lange genug, um Trey einen letzten Blick zuzuwerfen und zu flüstern: »Bleib, wo du bist.« Dann machte er kehrt und ging.
    Allmählich beruhigte sich Treys Herzschlag – zumindest reduzierte er sich auf das Tempo, das als normal gelten konnte, seit er aus dem Auto gestiegen war. Im Gegensatz zu jener mörderischen Frequenz, die sein Puls erreicht hatte, als der Junge auf der Veranda erschienen war. Fast fragte sich Trey, ob er das alles nicht nur geträumt hatte. Konnte er vor Angst so verrückt gewesen sein, dass er sich die ganze Begegnung nur eingebildet hatte?
    Trey bezweifelte überhaupt so viel Fantasie zu besitzen.
    Er konnte zusammenhanglose Satzfetzen hören – jemand verlangte nach einer Schaufel, ein anderer stöhnte, als er eine schwere Kiste zum Wagen schleppte. Die Suche dauerte fort, doch niemand betrat mehr die Veranda. Niemand sonst kam, um ihn zu suchen. Trey war so gelähmt vor Angst, dass er gar nicht anders konnte als dem Befehl des Jungen zu gehorchen.
    Dann hörte er, zu seiner großen Überraschung, Türen zufallen, Motoren starten und Wagen davonfahren, diesmal jedoch langsamer. Das gedämpfte Dröhnen der Motoren hätte von Feuerwehrautos stammen können, die sich nach einem Brand entfernen. Trey horchte angestrengt – so sehr, dass es ihm in den Ohren rauschte. Trotzdem konnte er nicht feststellen, ob die Männer gefunden hatten, wonach sie suchten, oder nicht. Sie unterhielten sich über Frauen und darüber, die Zigarren zu rauchen, die sie in Mr Talbots Schrank gefunden hatten.
    »Die sind so illegal wie nur was«, sagte einer laut.
    »Stimmt. Wir müssen sie rauchen und die Beweise vernichten«, rief ein anderer zurück. »Das ist das Mindeste, was wir für einen alten Freund tun können.«
    Darüber mussten die anderen Männer lachen, als wäre es eine absurde Vorstellung, dass einer von ihnen mit Mr Talbot befreundet sein könnte. Oder vielleicht verhielt es sich auch so, dass Mr Talbot geglaubt hatte, sie seien seine Freunde, obwohl sie es nicht waren.
    Trey hatte noch nie durchschauen können, was Menschen eigentlich sagen wollten, wenn ihre Worte und deren Bedeutung nicht übereinstimmten.
    Das nennt man Ironie
, rief er sich in Erinnerung.
Ich habe keinen Sinn für Ironie. Das gebe ich zu. Okay, Dad? Bist du nun zufrieden?
    Er war derart in das innere Zwiegespräch mit seinem Vater vertieft, dass er den Moment verpasste, als der letzte Wagen davonfuhr. Stundenlang, so schien es, war das gesamte Anwesen der Talbots von Stimmen und Lärm erfüllt gewesen, von heiserem Gelächter und barschen Rufen. Doch nun senkte sich von einem Moment zum nächsten eine schaurige Stille über das Gelände. Wieder spitzte Trey die Ohren. Er riskierte einen weiteren Blick über den Blumenkübel. Soweit er sehen oder hören konnte, waren alle Wagen fort. Doch diesmal musste er sich nicht fragen, ob er sich alles nur eingebildet hatte, denn die uniformierten Männer hatten mehr als genügend Beweise für ihren Besuch hinterlassen: zertretene Blumen, Schleuderspuren auf dem Fahrweg, Löcher, die in scheinbar willkürlichem Abstand im ganzen Garten verteilt waren.
    Trey ging wieder in Deckung.
    Vielleicht bringt der Chauffeur jetzt Nina und die anderen zurück
, überlegte er.
Vielleicht wusste er ja, dass die uniformierten Männer im Anmarsch waren. Dann wird er auch wissen, dass sie jetzt weg sind und dass er mit den anderen zurückkommen kann, um mich zu holen.
    Trey wollte lieber nicht darüber nachdenken, woher der Chauffeur über die Uniformierten hätte
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