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2586 - Die Sektorknospe

2586 - Die Sektorknospe

Titel: 2586 - Die Sektorknospe
Autoren: Wim Vandemaan
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Prolog
     
    Ein Junge sitzt auf dem Steg. Er lehnt den Rücken an einen Baumwollballen. Das kratzt im Nacken.
    Der Steg reicht weit in den Fluss.
    Der Junge kann nicht schwimmen, aber er hat keine Angst. Wenn er vom Steg ins Wasser fällt, watet er einfach an Land. Der Fluss ist nicht sehr tief. Breit ist er allerdings, sehr breit sogar. Das Wasser ist grau, ein regnerischer Tag.
    Der Junge riecht den Regen, den Duft der wilden Blumen, er riecht nasses Holz und nasse Baumwolle.
    Ein Schaufelraddampfer kämpft sich flussaufwärts. Es ist die QUEEN OF ST. LOUIS, ein großes Schiff, beinahe 90 Meter lang. Es fährt für die Vicksburg Natchez and New Orleans Mail Line. Sie wird an diesem kleinen Steg nicht anlegen. Ihre beiden Schlote qualmen; das mächtige Heckrad dreht und dreht sich. Am Vorderdeck stehen drei Braune in einer Art Koppel, aufgezäumt und angeleint.
    Der Junge sieht den Steuermann auf der Brücke das Rad in der Hand halten, sieht seine groben Backenknochen vor Konzentration mahlen.
    An der Reling des Oberdecks stehen weiße Frauen mit weißen Hüten, sie reden miteinander und winken mit weißen Tüchern. An ihrer Seite, den Arm um ihre Taille: Gentlemen, Bankiers, Geschäftsreisende. Daneben Biberfellhändler und Goldgräber, die vorübergehend zu Reichtum gekommen sind. Schwarze verkaufen Schokoladenkuchen. Braune Cowboys, die auch ihren Spaß haben wollen, schwenken die Hüte.
    Der Junge stellt sich vor, wie es wäre, selbst dort oben an der Reling zu stehen, das Aroma von Leder, Seide und Batist in der Nase, von Filz und Frauenhaut und Frauenhaar und Seife.
    Der Junge zieht seine Taschenuhr an der Kordel aus der Westentasche. Er lässt den Deckel aufspringen und wirft einen Blick aufs Ziffernblatt.
    Er schaut nicht auf die Uhr, weil er wissen will, wie spät es ist. Er schaut der weißen Frauen wegen auf die Uhr. Die Uhr ist aus Holz.
    Die Zeiger stehen auf 11.56 Uhr.
    Das tun sie jederzeit.
    Die Uhr steht.
    Der Junge sieht wissbegierig auf. Der Schaufelraddampfer ist ein gutes Stück vorangekommen. Dem Jungen ist, als ob eine der Frauen im weißen Kattun ihn anschaute.
    Er lacht ihr nach. Er winkt. Sie merkt es und streckt ihm eine kleine rosa Zunge heraus.
    Es beginnt auch erneut zu regnen.
    Eines Tages, denkt der Junge, werde ich auf einem solchen Schiff fahren. Eines Tages werde ich fortgehen von hier.

3000 Jahre später
     
    Rhodan fror. Er stand auf einer dunklen Eisfläche. Kein Lichtreflex, gefrorene Nacht.
    Ihm war, als hätte ihn jemand in Eiswasser getaucht. Nur dass kein Wasser da war - nichts als diese gegenstandlose, wesenlose Kälte.
    »Wanderer ist vollständig erstarrt«, murmelte Mondra.
    Rhodan schloss den Helm seines SERUNS. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Mondra Diamond ebenso verfuhr.
    Die erstaunliche Synchronizität ihrer Leben.
    Sofort drang ein leicht brummender Ton in sein Ohr, tief und beruhigend, ein Geräusch, das Wärme versprach. Die Heizung seines SERUNS lief offenbar auf Hochtouren.
    Ein SERUN war mehr als nur ein Schutzanzug. Er war eine zweite, technische Haut. Wer einen SERUN trug, lebte beinahe in Symbiose mit diesem Gerät.
    Doch wenn der Brummton nicht trog und sein SERUN tatsächlich Wärme produzierte, erreichte ihn diese Wohltat nicht, ging auf dem kurzen Weg zwischen dem Geflecht der Thermofasern und seiner Haut verloren.
    Diese Kälte überbot alles, was er je erlebt hatte. Daher ja auch der Begriff »Hyperkälte«, dachte Perry Rhodan mit einem Anflug von Sarkasmus.
    Er warf einen Blick auf die Uhr in seinem Multifunktionsarmband. 8.27 Uhr Terrania-Standard.
    Sie waren eben auf dem Transferdeck der Maschinenstadt Ambur-Karbush auf der Kunstwelt Wanderer angekommen. Das kreisrunde Deck durchmaß fast eineinhalb Kilometer und war damit, wie ihm absurderweise durch den Kopf schoss, fünfmal größer als der Petersplatz in Rom, dreimal so groß wie der Platz voller Blüten und Süßigkeiten vor dem Tempel in Neu-Kalicut.
    Er schüttelte den Gedanken ab. Hier wird kein höheres Wesen verehrt. Kein Grund zur Ehrfurcht.
    Allerdings war der Saal in jeder Hinsicht beeindruckend. Seine lichte Höhe betrug hundert Meter. Rhodan warf einen Blick auf die Transferröhren. Eine mittlerweile vertraute Erscheinung: Die vier Röhren, knapp über 600 Meter lang und 50 Meter im Durchmesser, liefen von allen vier Seiten aufeinander zu, ließen aber in ihrer Mitte einen freien Raum von etwa 200 Metern. Sie schimmerten unter dem eisigen Panzer weiterhin blau:
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