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Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond

Titel: Schattengilde 03 - Unter dem Verrätermond
Autoren: Lynn Flewelling
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ruhig.
    »Ihr seid kein Aurënfaie, sondern ein Ya’shel Khi«, fuhr Brythir fort. »Für uns seid Ihr wie ein Tírfaie, ein Ausländer, den gleichen Einschränkungen und Gesetzen unterworfen, doch habt Ihr kein Blutrecht und kein Verwandtschaftsrecht in Auras Volk. Geht mit den Skalanern und bleibt bei ihnen.«

 
56
Teth’brimash
     
     
    Damit habe ich gerechnet, sagte sich Seregil, darum bemüht, Haltung zu wahren, während Brythir das Urteil verkündete.
    Warum schmerzte ihn dann diese eine Phrase – Ya’shel Khi – so sehr? Schon der Rhui’auros hatte ihn so genannt, und er hatte seine Worte als Offenbarung akzeptiert. Hier jedoch, in Gegenwart seiner Verwandten, bohrte sich diese Bezeichnung wie eine glühende Klinge in sein Bewusstsein. Damals glaubte er verstanden zu haben, doch nun schien es, als verlöre er den Boden unter den Füßen. Mit dem Exil war er vertraut, aber dieser Bruch ging noch tiefer.
    »Geht mit den Skalanern und bleibt bei ihnen«, befahl der alte Khirnari.
    Seregils Knie schmerzten furchtbar, dennoch gelang es ihm, auf die Beine zu kommen, ohne dabei zu schwanken. Er zog die aurënfaiische Tunika über den Kopf und ließ sie vor seinen Füßen zu Boden fallen. »Ich akzeptiere den Ratschluss des Iia’sidra, Ehrwürdiger.« Seine Stimme schien irgendwo aus der Ferne zu kommen, nicht aus ihm selbst. Undeutlich war ihm bewusst, dass jemand im Saal weinte – mehrere Personen, und er hoffte, dass er nicht dazugehörte.
    Er spürte kaum den Boden unter seinen Füßen, als er zu den Skalanern ging. Hände führten ihn zu einem Stuhl, und dann war Alec bei ihm und wickelte ihm einen Umhang um die Schultern. Seregil zog das Kleidungsstück eng um seinen Leib und hielt den Blick gesenkt, als er Korathan hinausfolgte. Er hätte es nicht ertragen, in diesem Augenblick in die Gesichter anderer Faie zu blicken. Als sie sich der Tür näherten, trat der Rhui’auros namens Lhial vor und ergriff seine linke Hand. Sacht berührte er die Male des Drachenbisses und schenkte Seregil ein warmherziges Lächeln. »Gut gemacht, kleiner Bruder. Tanze den Tanz und vertraue auf das Licht.«
    Seregil brauchte einen Augenblick, bis er sich erinnerte, dass Lhial tot war, und bis dahin war der Bursche längst wieder verschwunden. Eine Gruppe Rhui’auros hielt sich ganz in der Nähe der Tür auf, doch die Erscheinung des Toten war nicht unter ihnen. Als er forschend ihre Gesichter musterte, hob einer von ihnen die Hand zu einem stillen Gruß.
    Tanze den Tanz? Für einen Moment schloss er die Augen, auf der Suche nach den Bruchstücken dessen, was Lhial ihm bei seinem ersten Besuch im Nha’mahat erzählt hatte. Sehe ich dich, sehe ich all deine Geburten, all deine Tode, all die Werke, die der Lichtträger für dich bereithält. Aber Zeit ist ein Tanz mit vielen Schritten und Fehltritten. Jene von uns, die sehen, müssen manchmal eingreifen.
    Ich bin ein Blinder und tanze im Dunkeln. Er erinnerte sich an seinen letzten Traum: die Glaskugeln waren zu einem Muster verschmolzen, und immer wieder troff Blut von Waffen herab. Erneut erfüllte ihn Sicherheit, die Überzeugung, die ihn in jener Nacht erfüllt hatte. Ihre Macht half ihm, aufrecht zu gehen und seine Lippen zu der Andeutung eines Lächelns zu bewegen.
    Lhaär ä Uriel sah seine Miene im Vorübergehen und bedachte ihn mit einem bösen, finsteren Blick.
    »Verhöhnt nur nicht das Mal, das ihr tragt«, warnte sie ihn.
    »Mein Wort darauf, Khirnari«, versprach er und legte die linke Hand auf sein Herz. »Ich nehme, was der Lichtträger schickt.«
     
    Adzriel und Mydri hingen wie Kletten an Seregil, als sie Klias Sänfte zurück zum Gästehaus folgten. Alec überließ ihnen seinen Freund bereitwillig, blieb jedoch in der Nähe und beobachtete ihn mit wachsender Sorge.
    Scheinbar benommen hatte sich Seregil in den geliehenen Umhang gewickelt, als wäre es Winter, und das wenige, was Alec von den Emotionen seines Freundes auffangen konnte, war ein Strudel grenzenloser Verwirrung.
    Immerhin war das besser als schiere Verzweiflung.
    Kaum waren sie in der Halle, geschützt vor neugierigen Blicken, rief Klia Seregil zu sich und flüsterte ihm etwas zu. Auch ihr rannen nun die Tränen über das Gesicht. Seregil kniete neben der Sänfte und beugte sich vor, um sie zu verstehen. »Es ist alles in Ordnung«, sagte er dann zu ihr.
    »Wie kannst du so etwas sagen?«, fragte Mydri aufgebracht. »Du hast doch gehört, was Brythir gesagt hat; es gab Hoffnung, dass das
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