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Schattenfreundin

Schattenfreundin

Titel: Schattenfreundin
Autoren: Christine Drews
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sich in die Hand, um nicht loszuschreien vor lauter Freude.
    Leo! Da saß er an einem Holztisch, angegurtet an einen Kinderstuhl, vor sich einen Teller mit Kuchen, in dem er mit einer kleinen Gabel herumstocherte. Auf der Stirn hatte er ein Pflaster. Vielleicht hatte er sich gestoßen. Aber er schien gesund zu sein.
    Schwarzwälder Kirschtorte, dachte Katrin. Welches Kind mag denn so was!
    Einen Augenblick lang fühlte sie sich daran erinnert, wie sie mit Tanja Kaffee getrunken hatte und wie sie gemeinsam über die Übermütter gelästert hatten, die immer ganz genau wussten, was Kinder essen dürfen und was nicht.
    Wie seltsam, ihre vermeintliche Freundin so zu sehen. Einerseits hatte der Anblick etwas Vertrautes. Friedlich sah es aus in der Küche …
    Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf, als könnte sie dadurch das harmonische Bild zerstören. Nichts war vertraut und friedlich an dieser Szene! Was sie gerade beobachtete, war ihr schlimmster Albtraum!
    Diese Frau war nie deine Freundin, dachte sie. Sie hat deinen Vater ermordet, sie hat deinen Sohn entführt, sie ist deine schlimmste Feindin!
    Leo gegenüber saß ein Junge, vielleicht siebzehn oder achtzehn, in einem Spezialrollstuhl. Wahrscheinlich dieser Klaus, vermutete Katrin. Er war offenbar schwerstbehindert. Krämpfe schüttelten seinen Körper. Sein Kopf lag schief in einer Schiene, Speichel lief ihm aus dem Mund.
    Und neben ihm saß Tanja.
    Sie wirkte ganz normal, ruhig und ausgeglichen. So gepflegt, wie Katrin sie in Erinnerung hatte, sah sie auch jetzt aus, die Haare frisch gewaschen, das Make-up dezent, dazu die auffälligen Erdbeerohrringe. War sie leichtsinnig? Nein, Tanja musste sich ihrer Sache sehr sicher sein.
    Mit einem großen Messer schnitt sie ein Stück Kuchen ab und versuchte, Klaus damit zu füttern. Während sie ihm immer wieder Kuchenreste und Speichel vom Kinn wischte, redete sie mit Leo.
    »Wenn Klaus mit der Musikschule fertig ist, könnt ihr zwei noch ein bisschen spielen. Vielleicht kannst du noch ein paar von den hübschen Steinfiguren machen …«
    »Ja«, sagte er leise.
    Katrin musste schlucken, als sie Leos dünne Stimme hörte.
    »Zur Musikschule kannst du natürlich nicht mit, das weißt du ja. Aber du darfst solange eine CD hören, ja? Dann geht die Zeit ganz schnell rum.«
    Leo begann zu weinen. »Nich in dunkles Zimmer …«
    »Es ist ja nicht für lange, Leo.«
    »Ich will zu meiner Mama …« Leo weinte immer lauter.
    Als hätte man einen Knopf gedrückt, so löschte dieser Satz alle Vorsätze, die Katrin bis dahin gehabt hatte. Nein, sie konnte nicht warten, bis die Polizei da war! Sie musste etwas unternehmen! Leo, mein Schatz … Es gab nur noch einen einzigen Gedanken: Sie wollte Leo endlich wieder in die Arme schließen, sie wollte endlich wieder bei ihrem kleinen Sohn sein. Das war das Einzige, was jetzt noch zählte.
    » Ich bin jetzt deine Mama«, sagte Tanja streng. »Das weißt du doch.«
    »Ich will zu meiner Mama!«
    »Hör endlich auf, Leo! Du weißt doch, was passiert, wenn du nicht folgsam bist …«
    »Nich piken, nich piken!«
    Leo …
    Geduckt lief Katrin unter dem Fenster bis zur Terrassentür. Dort blieb sie kurz stehen und holte tief Luft. Würde sie es schaffen, die Tür zu öffnen? Vielleicht war sie ja gar nicht verschlossen. Egal, sie musste es versuchen.
    Sie trat direkt vor die Tür, drückte die Klinke kraftvoll hinunter und presste sich dagegen.
    Die Tür öffnete sich, und Katrin stolperte in die Küche.
    »Mama!«, schrie Leo und zerrte an den Gurten.
    Tanja sprang auf und starrte sie an. Dann nahm sie das große Kuchenmesser in die Hand, das vor ihr auf dem Tisch lag.
    »Bleib sitzen, Leo!«, sagte sie, ohne Katrin aus den Augen zu lassen. »Hast du uns also doch noch gefunden. Wer hätte das gedacht …«
    Katrin ging nicht darauf ein. Sie sah zu Leo und lächelte. »Es ist alles gut, Liebling. Mama ist jetzt da, alles ist gut.«
    Hektisch überlegte sie. Was sollte sie tun?
    »Lass Leo gehen«, sagte sie so ruhig wie möglich.
    Das Bedauern in Tanjas Gesicht sah beinahe echt aus.
    »Katrin, Liebes, dir muss doch klar sein, dass ich das niemals tun werde. Leo gehört jetzt mir . Verstehst du, mir? Du stehst unserer gemeinsamen Zukunft im Weg. Ehrlich, es wäre besser gewesen, wenn du uns nicht gefunden hättest«, sagte sie betont langsam.
    Leo hörte nicht auf, an seinen Gurten zu zerren. Auch Klaus wurde unruhig, er zuckte immer heftiger und warf seine Arme und Beine hin und
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