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Schattenfreundin

Schattenfreundin

Titel: Schattenfreundin
Autoren: Christine Drews
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    VIER WOCHEN FRÜHER
    »Schaffst du es zum Abendbrot?«, fragte Katrin, während sie sich die Wimpern tuschte.
    Thomas gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Wahrscheinlich nicht. Ich stecke den ganzen Tag in irgendwelchen Meetings und muss danach noch eine Präsentation vorbereiten. Könnte spät werden. Leider.«
    Wie immer also, dachte Katrin und nickte nur.
    Seit ihrem Umzug nach Münster arbeitete Thomas noch mehr als früher. Das lag an seinem neuen Job, für den sie von Köln hierher gezogen waren. Das Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Kühlgeräten spezialisiert hatte, expandierte, und so hatte Thomas alle Hände voll zu tun und kam meist erst spät abends nach Hause. Manchmal hatte Katrin allerdings das Gefühl, dass er ganz froh war, wenn er lange im Büro bleiben konnte. Auf diese Weise entkam er dem Chaos, das zu Hause herrschte. Noch immer standen viele Kisten in den Zimmern und warteten darauf, ausgepackt zu werden. Von der dunkelrot gestrichenen Wand im Schlafzimmer, die sie sich als Kontrast zu den weißen Möbeln gewünscht hatte, konnte man kaum etwas sehen; Unmengen von Kartons stapelten sich davor.
    Der ganze Umzug blieb an Katrin hängen. Dabei hatte sie seit einer Woche selbst einen neuen Job, und schließlich war Leo auch noch da. Wie aufs Stichwort stürmte er um die Ecke, in den Händen einen bunten Stoffball.
    »Papa, spielen!«, rief er freudestrahlend und hielt den Ball hoch.
    Thomas nahm ihn auf den Arm und gab ihm einen Kuss. »Ich kann nicht, Schatz«, sagte er und drückte ihn an sich. »Papa muss zur Arbeit.«
    Leo verzog das Gesicht und fing an zu weinen. »Papa spielen!«
    »Ach Engel, du kannst doch gleich im Kindergarten toll spielen!« Er strich Leo über die hellblonden Haare und gab ihm noch einen dicken Kuss auf die Wange. »Heute Abend bringe ich dich ins Bett, okay?«
    Leo weinte noch lauter. Doch so plötzlich, wie er angefangen hatte, hörte er auch wieder auf. »Mama, Fußball spielen?«, fragte er und schaute seine Mutter mit tränennassen Augen an.
    Katrin musste lachen. Sie tappte ihm auf die kleine Stupsnase und schüttelte den Kopf. Jetzt war wirklich keine Zeit zum Ballspielen. »Wir müssen bis neun im Kindergarten sein, sonst kriegen wir Schimpfe«, sagte sie. »Komm, ich helfe dir beim Anziehen.«
    Während Thomas das Haus verließ, suchte sie Leos Sachen heraus. Seit Tagen bestand er darauf, jeden Morgen dasselbe Sesamstraßen-T-Shirt anzuziehen, und auch heute gab sie nach, obwohl das T-Shirt schon Flecken hatte. Nachdem sie ihm ein Frühstücksbrot geschmiert hatte, war es schon fast neun Uhr.
    »Wie immer zu spät«, murmelte sie und packte eilig ihre Sachen zusammen. Sie nahm eine Sporttasche und eine große Plastiktüte, in der ein paar ausrangierte Kleidungsstücke lagen, die sie nach der Arbeit bei ihren Eltern vorbeibringen wollte. Ihre Mutter engagierte sich in der Kirchengemeinde, in der es auch eine Kleiderkammer gab. Die ehrenamtlichen Helfer dort waren dankbar für jede Spende.
    Aber jetzt erst mal schnell zum Kindergarten, dann in die Praxis. Um halb zehn hatte sie schon den ersten Behandlungstermin. Dann einkaufen, Leo abholen und zu ihren Eltern fahren. Dort wollte sie sich auf keinen Fall zu lange aufhalten, damit sie heute wenigstens noch eine Kiste auspacken konnte. Katrin seufzte. Ein langer, hektischer Tag lag vor ihr.
    Zehn Minuten später fuhr sie auf den Parkplatz des Kindergartens. Sofort spürte sie, wie Ärger in ihr aufstieg, denn eine Hand voll Mütter stand quatschend in der einzigen freien Parkbucht. Kurz entschlossen parkte sie ihren schwarzen Nissan in der Feuerwehrzufahrt und stieg aus.
    »Da ist Halteverbot«, sagte eine der Mütter tadelnd.
    »Bin gleich wieder weg«, antwortete Katrin schuldbewusst, ohne die Frau anzusehen.
    In diesem Augenblick kam noch ein Auto angefahren, ein BMW – groß, schwarz und teuer. Wie zuvor schon Katrin warf die Frau am Steuer der plaudernden Damenrunde einen bösen Blick zu. Dann ließ sie das Fenster herunter.
    »Könnten Sie vielleicht erst den Parkplatz freimachen und danach Ihre Unterhaltung fortsetzen? Danke.«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr die Frau das Fenster wieder hoch und setzte den Blinker. Die Mütter murmelten etwas von »Frechheit« und »Was ist das denn für eine?« und verließen langsam die Parkbucht. Die Frau fuhr ihren dunklen BMW hinein, stieg aus und schnallte ihren Sohn vom Kindersitz los.
    Beiläufig beobachtete Katrin die Szene, bevor sie die
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