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Schattenfreundin

Schattenfreundin

Titel: Schattenfreundin
Autoren: Christine Drews
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meckernd.
    Katrin spürte, wie ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. Das waren also die letzten Worte, die ihr Vater gehört hatte, bevor er das Bewusstsein verlor. In dem Wissen, dass er seine ganze Familie in den Abgrund gerissen hatte, war er gestorben.
    »Du wolltest meine Familie zerstören …«, sagte sie tonlos.
    Tanja spielte mit dem Messer in ihrer Hand. »Dein Vater hat mir alles genommen. Und weißt du, was er mir dafür gegeben hat: deine ausrangierte Kleidung! Nein, ich wollte nicht, dass ihr einfach so weitermacht, als wäre nichts passiert. Wie eine heile Familie.«
    Katrin überlegte fieberhaft. »Und jetzt? Was willst du jetzt machen? Du kannst dich doch nicht für den Rest deines Lebens in dieser Jagdhütte verstecken …«
    »Natürlich nicht!« Tanja lachte spöttisch auf. »Morgen früh sind wir weg. Und niemand wird uns daran hindern. Auch du nicht.«
    Ihr Lächeln erstarb.
    Katrin spürte, dass die Zeit des Redens vorbei war. »Gut. Ich verstehe nun, warum du das alles gemacht hast.« Sie zwang sich, ruhig zu sprechen. »Und es tut mir aufrichtig leid, was du durchmachen musstest. Aber jetzt werde ich Leo nehmen und gehen. Und du wirst uns nicht daran hindern.«
    Katrin machte einen Schritt auf Leo zu. Sofort fing er wieder an, an den Gurten zu zerren.
    Tanja riss das Messer hoch und schüttelte den Kopf.
    »Keiner geht irgendwohin«, sagte sie kalt.
    Genau in diesem Augenblick gelang es Leo, sich aus den Gurten zu befreien. »Mama, Mama!«, kreischte er und ruckelte an dem Kinderstuhl. Katrin wollte zu ihm laufen, doch Tanja trat ihr in den Weg.
    »Versuch es gar nicht erst!«, schrie sie.
    Der Kinderstuhl wackelte immer stärker, schließlich kam er aus dem Gleichgewicht und stürzte auf den Boden. Leo schlug mit dem Kopf auf, aber er schien sich nicht wehgetan zu haben, denn sofort stand er auf und rannte an Tanja, die wie erstarrt dastand, vorbei zu seiner Mutter.
    »Mama, Mama!«
    »Leo!«
    Katrin nahm ihn hoch und drückte ihn an sich. »Jetzt wird alles gut, mein Schatz!«, schluchzte sie.
    Dann sah sie, wie Tanja aus ihrer Erstarrung erwachte, das Messer hob und langsam auf sie zukam.
    Blitzschnell drehte sie sich um, lief hinaus auf die Terrasse und dann am Haus entlang zur Auffahrt. Dort setzte sie Leo ab und nahm ihn an die Hand. »Lauf, so schnell du kannst!«, schrie sie ihm zu.
    Sie hetzte die Einfahrt hinunter und zog Leo hinter sich her. Nie wieder wollte sie ihn verlieren, nie wieder! Sie würden über die Straße laufen und sich im Wald verstecken … Und dann? Sie wollte nachdenken, aber in ihrem Kopf war nur noch ein lautes Rauschen.
    »Ihr werdet nirgendwohin gehen!«, schrie Tanja.
    Katrin warf einen Blick zurück. Tanja kam immer näher. In ihrer Hand blitzte die Schneide des Messers. Sie mussten es bis zur Straße schaffen, sonst waren sie verloren.
    »Bleibt stehen! Ihr schafft es ja doch nicht!«
    Das große Tor kam immer näher. Endlich hatten sie es erreicht. Katrin drückte die Klinke – nichts! Das Tor war verschlossen!
    »Schnell, ich helf dir rüber!«, sagte sie und hob Leo hoch.
    »Mama, Mama!«
    Sie hielt ihn auf die andere Seite und ließ ihn fallen. »Lauf los! Ich komme hinterher!«
    »Mama!« Leo stand auf und sah sie ängstlich an.
    Katrin kletterte auf eine Querverstrebung im Gitter und hob ein Bein über das Tor.
    »Lauf, mein Schatz!«, rief sie atemlos. »Komm, wir machen ein Wettrennen, ja? Hinter den Bäumen wartet der Eismann! Los! Wer als Erster da ist …«
    Leos Augen blitzten auf. Dann rannte er los.
    Ein Gedanke schoss Katrin durch den Kopf. Wenn jetzt ein Auto kam … Sie hielt den Atem an. Leo … Gott sei Dank. Er hatte die andere Straßenseite erreicht. Sie versuchte, ihr anderes Bein über das Tor zu schwingen – aber es ging nicht. Mit ihrem Hosenbein hing sie fest.
    »Scheiße …« Angstvoll blickte sie sich um. Tanja war nur noch wenige Meter hinter ihr. Ihr Gesicht war zu einer dämonischen Fratze verzerrt.
    Katrin riss an ihrer Hose, aber sie löste sich nicht. Wieder sah sie zu Leo. Ein warmes Gefühl der Erleichterung und Dankbarkeit durchflutete sie, als sie beobachtete, wie seine blonden Haare hinter den Büschen verschwanden.
    Auf einmal wurde sie ganz ruhig. Es war vorbei. Leo war gerettet …
    Der Schmerz in ihrem Rücken war heiß und stechend, dann wurde ihr schwarz vor Augen.
    »Sind wir hier nicht eben schon langgefahren?«, fragte Charlotte und zeigte auf ein leer stehendes Fachwerkhaus auf der linken
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