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Schattenfreundin

Schattenfreundin

Titel: Schattenfreundin
Autoren: Christine Drews
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ihre Mutter Marzipan geliebt. Ob das heute auch noch so war?
    Sie überlegte, was es für eine Mutter bedeuten mochte, ihr Kind ein Vierteljahrhundert nicht zu sehen und nicht zu sprechen. Wie würde Katrin Ortrup sich fühlen, wenn sie die nächsten fünfundzwanzig Jahre von ihrem geliebten Leo getrennt sein müsste? Wahrscheinlich würde sie daran zerbrechen. Die Familie schien ihr wichtiger zu sein als alles andere, besonders ihre Kinder, und Katrin Ortrup hatte gute Chancen, bald zwei aufwachsen zu sehen.
    Charlotte betrat das Seniorenheim. Verbrauchte, nach Erbsensuppe und Putzmitteln riechende Luft schlug ihr entgegen. Sie merkte, wie ihre Schritte immer langsamer wurden, während sie zum Empfang ging.
    Tat sie auch wirklich das Richtige?
    Sie dachte an Klaus, den eigentlichen Verlierer in diesem Drama. Er hatte die einzige Person verloren, die ihn geliebt hatte – was auch immer sie anderen Menschen angetan hatte. Wer wusste schon, was der schwerstbehinderte Junge wirklich mitbekommen hatte? Nun war er wieder bei seinen Pflegern, er wurde gut betreut, aber er würde nie wieder in seinem Leben jemanden finden, der ihm so viel Liebe schenkte wie seine Mutter.
    Auch eine Mörderin liebte ihr Kind.
    Wenigstens finanziell schien für den Jungen gesorgt zu sein. Katrin Ortrup wollte das Erbe ihres Vaters nicht für sich behalten, sondern es dem Heim schenken, in dem Klaus lebte. Die Schuld, die Franz Wiesner auf sich geladen hatte, würde sie dadurch nicht abtragen können, aber vielleicht würde es ihr helfen, mit diesem schweren Erbe zu leben.
    Schuld … Ob ihre Mutter ihr immer noch die Schuld an Stefans Tod geben würde?
    »Ich möchte Agnes Schneidmann besuchen«, sagte Charlotte zu der Empfangsdame hinter dem Tresen.
    »Einen Moment bitte.« Die junge Frau blickte auf den Bildschirm ihres Computers.
    Was würde gleich passieren? Was sollte sie sagen? Würde ihre Mutter sie überhaupt erkennen?
    Charlotte wünschte sich, sie könnte sie in den Arm nehmen, sie könnte ihre Mutter endlich wieder spüren. Auch wenn sie es sich über die Jahre nie hatte eingestehen wollen und es immer mühsam verdrängt hatte – ihre Mutter hatte ihr unendlich gefehlt.
    »Darf ich fragen, wer Sie sind?«, fragte die Empfangsdame.
    »Charlotte Schneidmann, die Tochter.«
    »Einen Moment«, sagte die Empfangsdame und griff zum Telefon.
    Vielleicht konnten sie ja noch einmal Mutter und Tochter sein. Vielleicht hatte ihre Mutter ja eingesehen, dass Charlotte keine Schuld am Tod ihres Bruders trug. Dass niemand Schuld daran trug, sondern dass es ein tragischer Unfall gewesen war, etwas, das jeden Tag irgendwo auf der Welt passierte.
    »Dr. van Holden kommt gleich zu Ihnen«, sagte die junge Frau.
    »Danke, aber vielleicht kann ich später mit dem Arzt sprechen? Ich würde jetzt am liebsten erst zu meiner Mutter gehen«, sagte Charlotte.
    »Da ist er schon«, sagte die Empfangsdame und zeigte auf einen etwa fünfzigjährigen Mann im weißen Kittel, der zügig auf sie zukam.
    »Achim van Holden, ich bin der medizinische Leiter dieser Einrichtung. Sie sind die Tochter von Agnes Schneidmann?«
    »Charlotte Schneidmann, ja. Was gibt es denn so Dringendes zu besprechen?«
    Der Arzt zögerte einen Moment. Dann sagte er: »Bitte kommen Sie mit.«
    Langsam folgte Charlotte dem Arzt durch die hellen Gänge. An den Wänden hingen großformatige Fotos mit blühenden Landschaften. Die Sonne schien von einem tiefblauen Himmel. Ruhe und Zufriedenheit strahlten diese Bilder aus.
    Plötzlich hatte Charlotte ein ungutes Gefühl.
    Als Dr. van Holden in seinem Büro die Brille abnahm und sie ernst ansah, wusste Charlotte, dass ihr Gefühl sie nicht getrogen hatte.
    Diesmal war sie zu spät gekommen.
    – Ende –

DANKSAGUNG
    Bei der Verwirklichung von Schattenfreundin hat mir eine Reihe von Leuten geholfen. Besonders danken möchte ich meinem Lektor Lutz Steinhoff für seine großartige Arbeit, genauso wie Claudia Müller, Bettina Steinhage, Gerke Haffner und Lena Schäfer von Lübbe. Carsten Buchsbaum von der Kriminalpolizei Niedersachsen hat mir wertvolles Hintergrundwissen über die Polizeiarbeit vermittelt, Lars Kröner und Frank Schmihing haben ihr forensisches und medizinisches Fachwissen mit mir geteilt – vielen Dank dafür.
    Außerdem möchte ich Anke Hilbrenner und Jakob Beetz danken, für ihre wiederholte Lektüre und ihre Ideen, ebenso wie Elisabeth Meyer, Julia Samwer, René Förder und Peter Käfferlein.
    Schließlich danke ich meinem
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