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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin
Autoren: Peter Prange
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    Das Verhängnis begann mit einem Freudentag. Man schrieb den 28. Juli des Jahres 1496. Dom Manuel, König von Portugal, auch »der Glückliche« genannt, trat aus dem Zelt, das seine Männer im Schatten riesiger Korkeichen errichtet hatten. Voll ungeduldiger Erwartung schaute er über das ausgetrocknete Flussbett des Guadiana, der sein Königreich von den spanischen Landen trennte, in die Ferne. Flirrend vor Hitze erstreckte sich die Estremadura bis zum Horizont, von keiner Menschenseele belebt, öd und leer wie am ersten Tag der Schöpfung.
    »Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige«, krächzte Paco, der Hofnarr, »doch leider ist sie nicht der Weiber Art!« Dom Manuel versetzte dem Zwerg einen Tritt. Seit dem frühen Morgen wartete er schon mit seinem Tross am Ufer des Grenzflusses auf die Ankunft seiner Braut, der spanischen Infantin. Angeblich war Isabella hässlich wie die Nacht und außerdem frömmer als ein ganzes Nonnenkloster. Trotzdem fieberte er ihr entgegen wie ein verliebter Barbier. Denn von ihrem Jawort hing seine Zukunft ab, die Verwirklichung seines großen Traums, die drei Königreiche der Iberischen Halbinsel zu vereinen - unter seiner portugiesischen Herrschaft. Sollte sie es sich anders überlegt haben? »Da kommen sie!«
    Am Horizont erhob sich eine Staubwolke, die von Minute zu Minute größer wurde.
    Dom Manuel wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das musste Isabella sein! Plötzlich fühlte er sich wie ein Bräutigam vor seiner Hochzeitsnacht. »Musik!«
    Trommeln wurden gerührt, Fanfaren zerschnitten die Luft. Hatte sich seine Beharrlichkeit also doch gelohnt! Monatelang hatte Isabella sich gegen die Ehe gesträubt, so dass der spanische König schon seine zweite Tochter in den Handel geben wollte. Doch mit dreizehn Jahren war Maria zu jung, um rasch genug einen Thronfolger zu gebären - ein unkalkulierbares Risiko. Dom Manuel hatte selbst nur deshalb den Thron erlangt, weil es seinem königlichen Bruder nicht gelungen war, vor seinem Tod einen Erben zu zeugen. Isabella hingegen hatte in erster Ehe bereits ihre Fruchtbarkeit bewiesen. Ihr Jawort war für die Zukunft seines Reiches so wichtig wie der Seeweg nach Indien. »Was habe ich doch für närrische Augen!«, krächzte Paco. »Wo Majestäten die Kutsche einer Prinzessin sehen, erblicke ich nur eine Horde von Reitern!«
    Noch bevor Dom Manuel dem Zwerg einen zweiten Tritt verpassen konnte, lichtete sich die Staubwolke. Tatsächlich - weit und breit war keine Kutsche zu sehen, nur sechs Spanier zu Pferde ... Aus der Kavalkade, die gerade das Flussbett durchquerte, löste sich ein einzelner Reiter. Vor dem König parierte er seinen Schimmel, salutierte und zog eine Depesche aus dem Ärmel. »Eine Botschaft für Eure Majestät!« »Gib schon her!«
    Ungeduldig erbrach Dom Manuel das Siegel. Der Brief war von seiner Braut. Kaum hatte er die ersten Zeilen gelesen, war sein Hochgefühl dahin.
    »Ich hoffe, es sind gute Nachrichten«, sagte Padre Adolfo, sein Beichtvater, der ihm aus dem Zelt gefolgt war. Dom Manuel ließ den Brief sinken. »Die Infantin stellt eine Bedingung.«
    Padre Adolfo strich sich über die Tonsur und schielte nach dem Schreiben. »Und die lautet?«
    »Ich soll es ihrem Vater gleichtun und die Juden aus Portugal jagen. Sie will mein Land nicht eher betreten, als bis es von allen Krummnasen gesäubert ist. Sollte ich ihr diesen Wunsch nicht erfüllen, will sie lieber sterben als mich zum Mann nehmen.«
    Der Dominikaner bleckte seine gelben Zähne. »Nun, das scheint mir ein überaus frommer und lobenswerter Wunsch zu sein, zumal ...«
    »Fromm und lobenswert?«, fiel Dom Manuel ihm ins Wort. »Ohne Juden wird das Land wie ein Netz ohne Fische sein. Was nützen mir die Schätze der neuen Welt, wenn mir die Händler fehlen, um sie in klingende Münze zu verwandeln?« »Sind irdische Reichtümer höher zu schätzen als die Verbindung mit dem allerkatholischsten Königshaus? Bedenkt, Majestät, ein vereinigtes iberisches Großreich, zum höchsten Ruhme Gottes ...«
    Dom Manuel knirschte mit den Zähnen. Es war eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Isabella war der festen Überzeugung, dass ihr erster Mann, ein portugiesischer Prinz, allein deshalb gestorben wäre, weil seine Regierung ebenjene Juden ins Land ließ, die ihr Vater aus Spanien vertrieben hatte. Damit nicht genug, betrachteten auch Dom Manuels Untertanen die »Krummnasen« als Feinde des christlichen Glaubens und hassten sie bis aufs Blut. Ein
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