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Schattenfreundin

Schattenfreundin

Titel: Schattenfreundin
Autoren: Christine Drews
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ihr plötzlich durch den Kopf. Sie wollte schreien, aber sie schaffte es nicht.
    Sobald sie versuchte, sich zu bewegen, brach ein höllischer Schmerz in ihrem Rücken los, wie die Stiche von Tausenden winziger Nadeln. Ihre Lunge schmerzte, als würde sie Feuer einatmen.
    »Bleib ruhig, du musst ruhig bleiben«, sagte sie sich. »Konzentrier dich.«
    Wo war sie? Mit ihren Fingern tastete sie den Untergrund ab. Sie lag auf schmalen Holzbohlen. Direkt an ihrem Körper waren sie feucht, je weiter sie sich davon entfernte, desto trockener wurden sie. Feucht. Außerdem roch es irgendwie metallisch … Sie erschrak. Das konnte nur Blut sein, Blut, das aus ihrem Körper lief.
    Sie tastete weiter. Vorsichtig fuhren ihre Finger über die Bohlen. Dazwischen Erde und kleine Steine. Ein Stück neben ihrem Körper stießen sie auf Widerstand. Wände aus fest geklopfter Erde stiegen senkrecht an, durchsetzt von waagerechten Holzbohlen. Trotz der dröhnenden Kopfschmerzen hob sie den Kopf. Nichts. Schwer atmend ließ sie ihn wieder sinken und tastete mit den Händen nach oben. Plötzlich, vielleicht eine halbe Armlänge über ihr, stießen sie gegen etwas Hartes. Wieder waren es Holzbohlen. Aber da waren keine Lücken dazwischen wie unten und an den Seiten … Deswegen war es auch so dunkel … Wo war sie? Was sollte das sein? Eine Art Holzkiste? Eingelassen in die Erde? Vielleicht diente sie früher als Vorratslager? Und jetzt? Jetzt diente sie als Sarg …
    Ihr stockte der Atem, als sie begriff, wo sie war.
    Sie lag in ihrem Grab.
    Lebendig begraben.
    Tränen schossen ihr in die Augen. Nein, das durfte nicht sein, sie durfte jetzt nicht sterben! Leo … Er brauchte sie jetzt! Ihre Hände glitten über ihren Bauch. Und ihr Baby! Es sollte leben …
    Katrin versuchte, in sich hineinzuhorchen. Tanja hatte sie nur am Rücken verletzt, die Klinge hatte ihren Bauch nicht getroffen. Aber wie lange würde der Embryo den Blutverlust verkraften? Wie lange würde sie selbst ihn verkraften?
    Wenn sie weinte, würde sie noch mehr Sauerstoff verbrauchen. Sie versuchte, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Aber es gelang ihr nur für wenige Sekunden, dann spürte sie, wie Panik in ihr hochstieg und sie zu zittern begann.
    »Hilfe!«, schrie sie, so laut sie konnte. »Hilfe!« Aber ihre Stimme war schon viel zu schwach. Mit den Fäusten hämmerte sie gegen die Decke, sie kratzte verzweifelt am Holz, bis ihr die Fingernägel brachen, aber sie wusste, es war zu leise. Ihre Kräfte reichten nicht mehr. Niemand würde sie hören.
    Sie würde langsam ersticken … Würde sie etwas merken? Würde sie spüren, wenn es so weit war? Vielleicht würde sie ja vorher verbluten. Sie hatte mal gelesen, dass man immer müder wurde, wenn man verblutete, bis man schließlich einschlief.
    Eine tiefe Trauer legte sich über sie. Sie würde sterben, ihr ungeborenes Kind würde sterben. Und Leo? Sie zwang sich zu der Hoffnung, dass er es geschafft hatte.
    Sie sah ihn durch den Wald laufen, flink wie ein Wiesel, ja, so war er, er konnte so schnell laufen, dass sie oft Mühe gehabt hatte, ihn einzuholen. Und wie gerne hatte er sich versteckt! Leo … Er war so mutig! Er war überhaupt nicht ängstlich, wie Thomas gesagt hatte! Thomas … Auch ihn würde sie nicht wiedersehen … Was würde aus ihm werden, er kam ohne sie doch gar nicht zurecht …
    Ein letztes Mal streichelte sie mit den Händen über ihren Bauch, dann ließ sie sie auf den Boden gleiten. Dabei spürte sie etwas Hartes in ihrer rechten Hosentasche. Sie brauchte eine Weile, um zu begreifen, was es war. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung. Sie hatte ihr Handy noch bei sich.
    Vorsichtig zog sie es heraus und klappte es auf. Es funktionierte, der Akku war nicht leer. Aber als sie auf das Display sah, starb ihre letzte Hoffnung. Kein Signal. Das Handy hatte keinen Empfang. Nicht einmal die Funkuhr funktionierte noch.
    01. 01. 01, 00:00 Uhr.
    Mehr stand nicht da.
    Fieberhaft überlegte sie.
    Plötzlich hatte sie eine Idee. Vielleicht war doch noch nicht alles zu Ende. Vielleicht hatte sie eine allerletzte Chance.
    Aufgeregt tippte sie auf den Tasten herum.
    Einstellungen … Klingelton … Melodie … Nein, nicht Melodie … Ruftonlautstärke . Das war es, was sie brauchte.
    Sie stellte den Rufton so laut wie möglich.
    Bitte, lieber Gott, lass es laut genug sein! Mach, dass jemand es hört!
    Dann drückte sie auf Speichern .
    Charlotte trat auf die Terrasse hinaus und sah sich suchend um. Ein kleiner Tisch
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