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Schattenfreundin

Schattenfreundin

Titel: Schattenfreundin
Autoren: Christine Drews
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musste Klaus sein. Sein Körper zuckte, aus seinen Augen liefen Tränen, Speichel tropfte ihm aus dem Mund, und immer von Neuem stieß er krampfartig Laute hervor: »Ma-Ma-Ma-«
    Tanja beugte sich zu ihm, strich ihm über die nass geschwitzten Haare und sprach beruhigend auf ihn ein: »Ist ja gut, mein Schatz. Du musst dich nicht so aufregen. Jetzt ist alles wieder gut, alles ist gut.«
    »Sagen Sie uns, wo Katrin Ortrup ist, dann kann sich ein Arzt um Ihren Sohn kümmern«, sagte Charlotte.
    Tanja wandte sich um und lachte auf. »Und was könnte dieser Arzt tun? Kein Arzt der Welt kann meinem Jungen helfen.«
    Charlotte wurde allmählich ungeduldig. »Jetzt sagen Sie uns endlich, wo Katrin Ortrup ist! Sonst sind wir gezwungen …«
    »Was wollen Sie denn tun, wenn ich meinen Sohn jetzt hinausschiebe, ihn ins Auto packe und dann wegfahre? Wollen Sie mich vielleicht erschießen?«
    Charlotte trat einen Schritt vor. »Sie werden Ihren Sohn nirgendwohin fahren, Frau Meyerhof. Wir werden ihn in die Obhut des Jugendamtes geben, dann kommt er in ein Heim. Und ich fürchte, das wird nicht so ein schönes Heim sein wie das, wo er bisher gewohnt hat.«
    »Das können Sie nicht tun!«, schrie Tanja plötzlich.
    »Die staatlichen Heime sind manchmal in keinem guten Zustand …« Charlotte seufzte. »Personalmangel, Sie wissen schon … Da müssen die Kranken oftmals fixiert und ruhiggestellt werden. Das ist natürlich nicht schön …«
    Klaus wurde immer unruhiger. Seine Krämpfe wurden so stark, dass der Rollstuhl zu zittern anfing. Ängstlich sah er zu seiner Mutter hoch.
    Sehr gut, dachte Charlotte. Genau das hatte sie beabsichtigt. Den angsterfüllten Blick ihres hilflosen Kindes konnte kaum eine Mutter aushalten.
    Tanja wurde leichenblass.
    »Ich mache Ihnen ein Angebot«, sagte Charlotte. »Sie sagen uns, wo Katrin Ortrup ist, und ich sorge dafür, dass Klaus weiter in seiner vertrauten Umgebung wohnen kann, wo er die Pfleger kennt und sich wohlfühlt.«
    »Klaus bleibt bei mir!«, stieß Tanja hervor. »Niemand kann uns trennen, hören Sie? Niemand!«
    Charlotte schüttelte den Kopf. »Zum letzten Mal: Wenn Sie uns jetzt sagen, wo Katrin Ortrup ist, wird Ihr Sohn zurückkommen in seine vertraute Umgebung. Wenn nicht, kommt er in ein staatliches Heim. Wollen Sie ihm das antun? Wollen Sie sich so von ihm verabschieden? Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, dass Sie Ihren Sohn niemals wiedersehen werden …« Sie machte eine Pause. »Es ist Ihre Entscheidung.«
    Charlotte fühlte sich nicht wohl dabei, den kranken Jungen als Druckmittel zu missbrauchen, aber sie hatte keine andere Wahl. Katrin Ortrup war womöglich schwerverletzt und kämpfte um ihr Leben. Es kam auf jede Sekunde an.
    »Sehen Sie denn nicht, was Sie dem Jungen antun!«, schrie Tanja. »Sie machen ihm Angst! Lassen Sie ihn in Ruhe, verdammt noch mal!«
    »Das mache ich, sobald Sie mir gesagt haben, wo Katrin Ortrup ist.«
    »Ma-Ma-Ma-«
    »Niemand wird uns trennen!« Tanjas Augen füllten sich mit Tränen. Energisch wischte sie sie weg. »Niemand!« Sie stürzte sich auf Charlotte und versuchte, ihr die Waffe zu entreißen.
    Charlotte stolperte rückwärts, stieß an einen Stuhl und verlor das Gleichgewicht. Sie versuchte, sich an der Wand abzustützen, dabei fiel ihr die Waffe aus der Hand.
    Tanja packte sie und zielte auf Charlotte.
    Plötzlich fiel ein Schuss.
    Einen winzigen Augenblick lang schien die Zeit stillzustehen. Kein Laut war zu hören.
    Dann sackte Tanja zusammen.
    Entsetzt blickte Charlotte zu Käfer, der die Pistole langsam sinken ließ. Einen Herzschlag später stürzte sie zu der am Boden liegenden Tanja. »Nein! Scheiße, nein! Nicht sterben! Sie dürfen nicht sterben!«
    Tanjas Augen waren weit aufgerissen, Blut lief ihr aus dem Mund, sie atmete stoßweise.
    »Wo ist Katrin Ortrup? Sagen Sie es mir!«, schrie Charlotte.
    Aber Tanja reagierte nicht mehr. Sie gab noch ein Röcheln von sich, bevor ihr Kopf zur Seite fiel.
    Tanja war gestorben und hatte ihr Wissen um Katrin Ortrups Schicksal mit in den Tod genommen.
    Das Erste, was sie spürte, war der Geschmack von Erde. Kühl und modrig. Ihre Haut spannte und juckte, sie fühlte sich an, als wäre sie mit Matsch beschmiert.
    Vorsichtig versuchte sie, die Augen zu öffnen … Oder waren sie schon offen? Es war so dunkel, dass sie keine Konturen unterscheiden konnte. Wo war sie?
    Das Atmen fiel ihr schwer, als wenn sie nicht mehr genügend Sauerstoff bekäme. Ich werde ersticken, schoss es
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