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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)
Autoren: Maria Norda
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fremde Frau, und beide starrten mich an. Sie
verharrten wie zwei Statuen, darum bemüht, sich keinen Millimeter zu bewegen. Sofort
schloss ich wieder die Augen. Ich hatte gehofft, in der Gasse halluziniert zu
haben. Aber das Bild, das sich mir bot, war unverändert. Er – und auch sie – hatten
keine festen Konturen. Sie schienen regelrecht mit den Schatten um sie herum zu
verschmelzen.
    Genauso, wie die Wesen auf dem
Friedhof. Genauso, wie der Mann an dem Auto. Genauso, wie in der Gasse.
    Ich versuchte zu schlucken, um nicht
völlig den Verstand zu verlieren, doch meine Kehle war trocken wie die Wüste
Gobi. Ich hatte nur zwei Optionen. Es ignorieren, was nicht in Frage kam, denn
ich hatte mehr Fragen im Kopf als Antworten, oder mich ihm stellen. Aber war
ich wirklich noch Herr meiner Sinne? Es war die Wahl zwischen Pest und Cholera.
    Aber so ganz stimmte das auch nicht,
denn es war immer noch Robert. Robert, dem etwas daran gelegen hatte, dass ich
nicht starb. Robert, der nicht wollte, dass ich schlief, weil er befürchtet hatte,
dass ich dies dann für immer tun würde. Robert, der gegen wen auch immer
gekämpft hätte, um mich zu beschützen. Robert – mein Robert.
    Stück für Stück öffnete ich die Augen
wieder und sah in die hintersten Ecke des Raumes. Da standen sie noch immer –
wie Zinnsoldaten in einem Regal, aber an ihrem Anblick hatte sich nichts
geändert.
    Dabei konnte ich ihn noch besser
erkennen als sie. Die fremde Frau ergab ein pulsierendes Bild. Mal waren ihre
Umrisse überhaupt nicht erkennbar. Aber es gab auch Sekunden, Augenblicke, in
denen ich sie scharf vor mir sah.
    Ich fixierte Roberts Gesicht und als
er erkannte, dass ich ihn anstarrte, wich jegliche Farbe aus seinem Gesicht und
seine Miene wurde steinern. War es so schlimm, dass ich ihn ansah? Bereute er
bereits, mich gerettet zu haben, wo er doch sie an seiner Seite hatte?
    Er begann stärker zu pulsieren, wurde
immer unschärfer – aber ich würde ihn nicht so einfach gehen lassen. Ich
starrte weiter, versuchte nicht zu blinzeln. Ich hatte zu viel Angst davor, dass
er binnen eines Wimpernschlages verschwunden sein könnte.
    »Was willst du jetzt auch noch?«,
fragte ich auf der Suche nach der Antwort, die mein Erwachen unterbunden hatte.
Jedes Wort brannte wie Feuer in meiner Kehle und noch immer kämpfte ich gegen
das trockene Gefühl in meinem Mund an. Aber das war jetzt egal.
    Da zerbrach seine Fassade und auch
die Fremde war erschüttert. Hatte ich so etwas Falsches gesagt? Die Emotionen
in seinem Gesicht wechselten wie ein Fernsehprogramm. Erstaunen – Wut – Trauer
– Angst. Alles wechselnd und doch zeitgleich.
    Aber ich war nicht gewillt, meinen
Blick von ihm zu lösen. Ich sah in seine tiefbraunen Augen und er trat näher. Ich
fixierte ihn weiter, folgte jedem seiner Bewegungen, jedem Schritt, jedem
Muskelzucken – ich kannte das alles. Ich kannte ihn in und auswendig und doch
konnte ich mich nicht daran satt sehen. Er war es tatsächlich – hier und jetzt.
    »Du kannst mich sehen?« Er fragte es
so zögerlich, als könne er die Antwort kaum ertragen.
    Ich quittierte seine Fragen mit einem
Nicken. Pure Fragezeichen bildeten sich auf seiner Stirn.
    »Und kannst du auch sie sehen?«,
fragte er weiter und zeigte dabei mit seinem Arm in Richtung der fremden Frau.
Seine Kontur war nun viel klarer, aber ihr Abbild pulsierte weiterhin wie die Flammen
eines lodernden Feuers. Ich musste mich sehr darauf konzentriert, sie zu
erfassen, aber ich schätzte auch ein unscharfes Bild zählte bei der Frage ›Kannst
du auch sie sehen‹. Also nickte ich erneut und ich sah, wie beide diese Antwort
völlig irritierte.
    »Ria, ich denke du solltest gehen«,
wand er sich nach einer kurzen Pause seiner Begleiterin zu. Im Gegensatz zu dem
Moment in der Gasse, in der ich nur ihre Beine gesehen hatte, konnte ich nun
einen Blick auf ihren gesamten Körper erhaschen.
    Sie war wunderschön. Ihr Teint war
leicht gebräunt, hatte große, kugelrunde, dunkelbraune Augen und eine wallende
schwarze Haarmähne, die sie sich nun entrüstet aus dem Gesicht strich. Neben
ihrem anscheinend makellosen Gesicht hatte sie einen durchtrainierten Körper,
der in so etwas ähnlichem wie einer schwarzen, enganliegenden Lederkombination
aus Jacke und Hose steckte.
    »Ich gehe nirgendwo hin! Denkst du
ich bin bescheuert und weiß nicht, was du vorhast?« Böse funkelte sie ihn an.
    »Maria, bitte geh jetzt! Ich weiß was
ich tue. Ich werde nachkommen. Versprochen«,
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