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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel
Autoren: Philip K. Dick
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Dreck um Ihre Stämme. Sehen Sie das hier? Das sind die feinsten chirurgischen Werkzeuge, die in sechsundzwanzig Jahrhunderten entwickelt worden sind.
    Ich weiß nicht, wie gut oder wie umfassend euer medizinischer Standard ist, aber ich kann mich in jeder Kultur durchschlagen, egal ob Vergangenheit oder Gegenwart. Mit meinem Wissen und Können werde ich überall von Wert sein. Das weiß ich, auch wenn ich sonst nichts weiß. Mein medizinisches Wissen wird mir immer und überall einen Platz verschaffen!«
    Icara und Wade schauten verblüfft drein. »Medizinisches Wissen?« Icara zögerte. »Was ist das?«
    Entsetzt sagte Parsons: »Ich bin Arzt.«
    »Sie sind …« Icara suchte nach dem Wort. »Was habe ich in dem Geschichtsband gelesen? Alchimist? Nein, das war früher. Hexer? Ist ein Arzt ein Hexer? Sagt er Geschehnisse voraus, indem er die Bewegung der Sterne erforscht, sich mit Geistern berät und so weiter?«
    »Wie dumm«, murmelte Wade. »Es gibt keine Geister.«
    Jetzt hatte sich Parsons Brust, Schultern und Rücken eingesprüht. So schnell wie möglich knöpfte er sein Hemd wieder zu – in der Hoffnung, daß die Schicht bereits eingetrocknet war. Er zog seinen Mantel an, warf seine Instrumente in den Koffer zurück und ging auf die halboffene Tür zu.
    Wade sagte: »Salvay, amicus.« Es hörte sich düster an.
    Parsons stoppte an der Tür und wandte sich zum Sprechen um. Aber die Tür peitschte von selbst von ihm weg. Halb im Fall stolperte er, fing sich – und schaute in ein grinsendes, sardonisches kleines Gesicht hinunter, das frohlockend zu ihm aufblickte. Ein Kind, dachte er. Die scheußliche Karikatur eines Kindes. Und es gab noch mehr davon. Sie alle trugen dieselbe niedliche grüne Mütze … Kostüme in einer Mittelschul-Aufführung. Das erste Kind richtete eine Metallröhre auf ihn und kreischte:
    »Shupo!«
    Er schaffte es, dem ersten Shupo einen Tritt zu verpassen: Sein großer Zeh erwischte ihn und hob ihn hoch. Er kreischte noch immer, selbst als er gegen die Zementmauer krachte, die sich zu beiden Seiten des Eingangs erhob. Aber noch während er zutrat, schwärmten die anderen an ihm vorbei, zwischen seinen Beinen hindurch, an ihm hinauf und über ihn hinweg, und ihre Nägel zerrten an ihm, als sie weiter vorbeikrabbelten und in den Versammlungsraum strömten.
    Die Arme vor dem Gesicht gekreuzt, pflügte er die Stufen hinauf, zur Straße.
    Unter ihm drängten sich die Shupos wie giftige grüne Wespen an der Tür. Er konnte nicht feststellen, was drinnen geschah, denn er sah nur ihre Rücken und konnte nichts anderes als ihre Rufe hören. Sie hatten ihre Opfer in der Falle. Für ihn interessierten sie sich entweder nicht, oder sie nahmen sich nicht die Zeit, ihn zu fangen. Jetzt sah er ihre Fahrzeuge. Mehrere waren so gestellt, daß sie die Straße blockierten. Möglicherweise hatte die unverschlossene, halboffene Tür Licht herausfallen lassen, was eine Routinepatrouille angelockt hatte. Oder sie waren der Frau gefolgt, Icara. Er wußte es nicht. Vielleicht war sie sogar ihm gefolgt, und zwar von Anfang an.
    Sie verlieren ihre Daumen, nicht wahr, fragte er sich. Und sogar freiwillig? Aber es hörte sich nicht danach an, als hätte die Gruppe beschlossen, sich zu unterwerfen – der Aufruhr schwoll an. Wenn ich die Shupos hierhergeführt habe, dachte er, bin ich verantwortlich. Ich kann nicht einfach davonlaufen. Zögernd kehrte er um und ging zurück.
    Aus der wogenden Masse in den Schatten am Fuß der Treppe spalteten sich zwei ausgewachsene Gestalten ab und traten hervor. Ein Mann und eine Frau, die sich keuchend heraufkämpften. Er sah mit Entsetzen Blut heruntertropfen und auf ihren Gesichtern glänzen. Nichts mit Daumen, dachte er. Sie kämpfen, und es hört nicht auf. Das ist das Opfer. Aber wenn sie es nicht bringen wollen, dann – ihr Leben?
    Der Mann, Wade, brüllte heiser zu ihm herauf: »Parsons!« Seine Arme hoben sich, und er versuchte, das Mädchen die Stufen hinaufzustoßen. Shupos klammerten sich an seinen Händen und Füßen fest. »Bitte!« rief er, die Augen blind, voller Todesqual.
    Parsons kam zurück. Er stürmte in den Treppenschacht hinunter, stampfte mit beiden Füßen und bekam das Mädchen zu fassen.
    Wade sank zurück, von den Shupos gezogen, verschmolz wieder mit der Dunkelheit und dem Lärm, und die grünen Gestalten glänzten und schrien triumphierend. Blut, dachte Parsons. Sie bekommen Blut. Er preßte das Mädchen an sich und kämpfte sich keuchend die
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