Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
als ich auswich.
    Er dachte: Und ich habe die Stadt so schön gefunden.
    Abseits, in einer Ecke, stand ein Mann, der nichts gesagt hatte, der an seinem Drink nippte und zusah. Seine dunklen, ernsten Züge zeigten einen ironischen Ausdruck. Von ihnen allen schien er der einzige zu sein, der seine Gefühle unter Kontrolle hatte. Jetzt kam er auf Parsons zu und erhob zum ersten Mal die Stimme.
    »Sie haben nicht damit gerechnet, hier jemanden vorzufinden«, sagte er. »Sie haben gedacht, dies sei ein leeres Lagerhaus.«
    Parsons nickte.
    »Die einzigartige Gesichtsfärbung Ihrer Art ist meiner Kenntnis nach«, fuhr der Mann fort, »die Folge einer hochgradig ansteckenden Seuche. Aber Sie scheinen gesund zu sein. Mir fällt auch auf, daß Sie unpigmentierte Augen haben.«
    »Blau«, berichtigte ein Mädchen.
    »Das ist unpigmentiert«, sprach der kräftig gebaute Mann weiter. »Was mich am meisten interessiert, ist Ihre Kleidung. Ich würde auf 1910 tippen.«
    Mit Bedacht sagte Parsons: »Eher 2010.«
    Der Mann lächelte schwach. »Aber nicht weit davon entfernt.«
    »Und was für eine Zeit ist dies hier?« fragte Parsons.
    Die schwarzen Augen flackerten. »Ah«, sagte er und wandte sich der Gruppe zu. »Nun, amici , die Sache ist weniger bedrohlich, als ihr es euch vorstellt. Wir haben es hier mit einer weiteren Tempus-Pfuscherei zu tun. Ich schlage vor, wir verschließen die Tür wieder und setzen uns dann hin und beruhigen uns.« Zu Parsons sagte er: »Wir schreiben das Jahr 2405. Sie sind die erste Person, soviel ich weiß. Bisher waren es nur Dinge . Verdrängungen. Soll angeblich natürlich sein, was aber grotesk ist. Frösche, eine ausgestorbenen Gattung, fallen auf die Straße. Das war die Vorwarnung für unsere Wissenschaftler. Steine. Trümmer. Krimskrams. Verstehen Sie?«
    »Ja«, sagte Parsons zögernd.
    Der Mann zuckte mit den Schultern. »Aber keiner weiß, warum.« Wieder lächelte er Parsons an. »Ich heiße Wade«, sagte er. »Und Sie?«
    »Parsons.«
    »Willkommen«, sagte Wade und hob die offene Handfläche. »Oder womit macht man’s bei euch? Mit den Nasen? Wie auch immer. Wollen Sie sich uns nicht anschließen? Ich meine nicht irgendwelche Lustbarkeiten dieser Party, sondern den Anschluß auf anderer Ebene.«
    »Der politischen«, sagte Parsons.
    »Ja, um die Gesellschaft zu verändern. Ich bin hier der Anführer, ich leite diese … Wie heißt Ihr altes Wort dafür? Zille? Zoll?«
    »Zelle«, sagte Parsons.
    »Ganz recht«, räumte Wade ein. »Wie bei den Bienen, mein Lieber. Wollen Sie unser Programm hören? Es wird Ihnen kaum etwas sagen. Ich schlage vor, Sie gehen raus. Wir sind in Gefahr.«
    Parsons sagte: »Ich habe dort draußen Ärger gehabt. Ich bin ebenfalls in Gefahr.« Er zeigte auf sein Gesicht. »Lassen Sie mir wenigstens Zeit, meine Gesichtsfarbe zu verändern.«
    »Kaukasisch«, sagte Wade und ließ das Wort auf der Zunge zergehen, als er es finster dreinblickend aussprach.
    »Geben Sie mir eine halbe Stunde«, sagte Parsons knapp.
    Wade machte eine einladende Geste. »Seien Sie unser Gast.« Er betrachtete Parsons genau. »Wir – sie, wenn Sie so wollen – haben starre Normen. Vielleicht können Sie sich anpassen. Unglücklicherweise dürfte das jedoch nicht einfach sein. Hier herrscht ein starres Freund-Feind-Denken. So etwas wie eine Mitte kennt man nicht.«
    »Mit anderen Worten«, sagte Parsons, während er seine Anspannung und Abneigung wachsen spürte, »es ist wie in allen primitiven Gesellschaften. Der Fremde wird als nichtmenschlich eingestuft und beim ersten Anblick getötet, nicht wahr? So wie alles Unbekannte.« Seine Hände zitterten. Er kramte eine Zigarette hervor und steckte sie an, versuchte sich damit zu beruhigen. »Euer Totem-Sinnbild«, sagte er, wobei er auf Wade deutete. »Der Adler. Ihr verherrlicht Adler-Eigenschaften? Unbarmherzigkeit und Schnelligkeit?«
    »Nicht ganz«, sagte Wade. »Alle Stämme sind vereinigt und haben die gleiche Weltanschauung. Wir wissen nichts über Adler. Unsere Stammesnamen wurzeln im Zeitalter der Dunkelheit, das dem H-Krieg gefolgt ist.«
    Parsons kniete sich hin und öffnete seinen Instrumentenkoffer. So schnell wie möglich breitete er seine Hautsprays aus. Wade und die anderen sahen eine Weile zu, verloren dann aber offenbar das Interesse. Ihr Gespräch ging weiter. Er dachte: Kurze Aufmerksamkeitsspanne. Wie bei Kindern. Nein, sie sind Kinder. Bisher hatte er niemanden über zwanzig gesehen. Wade stellte voll und ganz den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher