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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri
Autoren: Carina Bargmann
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sich nicht danach um. Der Vorsprung war ihre einzige Chance, lebend hier rauszukommen.
    Rutschend und schlitternd erreichte sie die nächste Treppe, doch die Verfolger waren schneller als sie. Marje konnte hören, wie die Schritte näher und näher kamen. Sie konnte schon die Treppe zum zweiten Stock sehen, als roter Fackelschein sie einhüllte.
    »Da ist er!«
    »Wachen! Haltet ihn!«
    Gehetzt blickte sie über die Schulter und einen winzigen Augenblick lang begegnete ihr Blick dem eines jungen Soldaten. Er sah überrascht aus. Dann sprang sie die Treppe hinab.
    Jetzt erhob sich Shio aus ihrer Kapuze. Sein Licht war nun nicht mehr klein und angenehm warm: Er erstrahlte gleißend hell. Die Fackeln wirkten gegen ihn wie die kläglichen Reste eines Lagerfeuers, das schon lange verloschen war.
    Marje hörte die Aufschreie des Entsetzens und der Verwirrung hinter sich, dann ein metallisches Krachen und ein Scheppern. Shios Licht konnte einen Menschen so blenden, dass er jede Orientierung verlor. Offenbar war mindestens einer der Soldaten in seiner schweren Rüstung auf der Treppe gestürzt.
    Kurz darauf landete ein geschwächter müder Funken auf ihrer Schulter und verbarg sich in ihrem langen Haar. Marje fühlte einen Strom an Zuneigung für das winzige Irrlicht, das sein Leben für sie riskiert hatte.
    Ihr Blick schweifte den Gang hinab. Dort drüben war die nächste Treppe. Nur noch ein Stockwerk, dann hätte sie es geschafft! Sie spürte, wie ihr Herz gegen ihre Brust hämmerte, und wusste, dass sie sich nichts vormachen durfte. Das Schlimmste stand ihr noch bevor. Das Tor.
    In diesem Moment sah sie ihn. Ein Zinadenwächter, der von unten kam, stand direkt am Fuß der Treppe und blickte sich ungeduldig nach seinem Kameraden um.
    Mit einem Satz sprang Marje zurück und drückte sich an die Wand. Shios Licht flackerte ablehnend auf ihren fragenden Blick hin. Er war nicht stark genug, um ihr erneut mit seiner Leuchtkraft aus der Klemme zu helfen. Ihr Blick raste zurück in Richtung der Treppe über ihr, von der ein Stöhnen erklang. Nicht mehr lange und die Verfolger würden sich von Shios Attacke erholt haben.
    Marje saß in der Falle.
    Ihre Hand tastete nach dem Messer, das sie am Gürtel trug, doch sie wusste, dass sie keine Chance gegen die Soldaten hatte. Sie trugen schwere Rüstungen mit Schwertern und im Gegensatz zu ihr waren sie im Kampf ausgebildet.
    Marje holte tief Luft. Ihr blieb nur eine Chance, auch wenn Milan ihr eingeschärft hatte, sie nur im allergrößten Notfall zu benutzen. Aber was war das hier, wenn nicht ein Notfall?
    Ihr Blick hastete zur nächsten Fensteröffnung. Mit einem Griff hatte sie einen Stein aus der Tasche gezogen. Sie holte weit aus und warf damit die Scheibe ein, wie sie es vor einigen Tagen an einem der Zinadenfenster bereits getan hatte.
    Es funktionierte! Scherben klirrten, und während Marje hinter sich einen wütenden Aufschrei hörte, kletterte sie hastig in die Fensternische hinauf.
    Gerade, als sie unschlüssig in die Tiefe sah, hatten ihre Verfolger aufgeschlossen. Einer von ihnen – die Augen tränend und rot – streckte seinen Arm aus, um sie festzuhalten. Der andere zog sein Schwert.
    In dem Moment stieß Marje sich von der Fensterbank ab und fiel ins dunkle Nichts. Shios sanftes Licht war das Einzige, was sie erkennen konnte.
    Äste trafen sie, peitschten ihr ins Gesicht, bremsten ihren Sturz. Sie versuchte sich festzuhalten, bekam einen Zweig zu fassen, glitt wieder ab, blieb einen Moment später an einem anderen Ast hängen. Ihr Atem setzte aus und einen Moment wurde ihr schwarz vor Augen, aber etwas schrie in ihr, wieder zu sich zu kommen, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden.
    Ihr Körper reagierte, Finger griffen nach Verästelungen, ihre Füße tasteten nach Halt. Milan behauptete immer, dass sie hatte klettern können, bevor sie gelaufen war – und dafür war Marje nun unendlich dankbar. Während die Wachen oben von der Fensteröffnung nach Verstärkung riefen, hatte sie bereits den sicheren Boden erreicht.
    Ein Blick verriet ihr, dass sie außerhalb der Zinadenmauern auf der Nordseite, die genau gegenüber des schwer bewachten Tores lag, gelandet war. Trotzdem konnte es nicht lange dauern, bis die Soldaten hier waren.
    Marje ignorierte den stechenden Schmerz in ihrem Arm und in ihrer rechten Hüfte. Ihr Blick raste über den kleinen Platz, der sich der Mauer anschloss. Drei Gassen boten Schutz und Fluchtmöglichkeit und sie ließ den Zufall
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