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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri
Autoren: Carina Bargmann
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sank.
    Marje konnte beobachten, wie er die Skala neben der Tür hinabkletterte, und ein Gefühl des Triumphes breitete sich in ihr aus.
    Milan hatte inzwischen einige weitere Schalter umgelegt, die vermutlich für die verschiedenen Viertel und Brunnen standen. Auch sie waren beschriftet.
    »Das reicht«, stellte er schließlich fest.
    Der Wasserstand war bereits über einen Meter in die Tiefe gesunken und sank immer schneller.
    Marje schluckte beim Anblick der gläsernen Brücke. Jetzt würde ein Sturz ins Wasser den sicheren Tod bedeuten, wenn der Strudel sie erfasste …
    Milan griff nach ihrer Hand. »Shio, flieg zur Tür«, bat er. Mit einer Kraft, die sie ihm so gar nicht zugetraut hätte, hob er sie auf seinen Arm und trat auf die Brücke. »Schau nicht nach unten!«, befahl er Marje, die automatisch einen Arm um seinen Hals gelegt hatte.
    Trotz der Warnung blickte sie genau dorthin, wo der Strudel immer breiter wurde. In dem Moment gab der Speicher unter ihnen ein erneutes lautes Gurgeln von sich. Shios Licht erreichte nicht mehr den Wasserspiegel. Unter ihr breitete sich eine gähnende Schwärze aus.
    Marje kniff die Augen zusammen, verbarg den Kopf an Milans Schulter und biss die Zähne aufeinander. Sie durfte Milan jetzt nicht aufhalten, nicht wegen ihrer blöden Höhenangst. Die Wachen waren mit Sicherheit schon unterwegs, denn das Alarmsystem mündete in den Wachraum, der sich im Erdgeschoss befand, und sie hatten es nicht ausschalten können.
    Milan erreichte das Ende der Brücke und ließ sie auf den Boden gleiten. Kurz verharrte er – ein Ohr an das Holz gepresst – und lauschte angestrengt, dann zog er die Tür lautlos auf und bedeutete Marje vorauszugehen.
    Shios Licht war jetzt nur ein schwaches Glimmen.
    Auf dem Gang war alles still.
    Das Schloss schnappte hinter ihnen zu. Sanft berührte Milan ihren Arm zum Abschied, dann drehte er sich um und rannte den Gang hinab. Ihr Plan sah für sie beide den gleichen Hin- wie Rückweg vor.
    Auch Marje zögerte nicht länger, sondern sprintete los. Ihre Lederschuhe machten kein Geräusch auf dem Steinboden, aber als sie die Treppe erreichte, hörte sie die unverkennbaren polternden Schritte von Soldaten. Shio leuchtete warnend auf, dann sank sein Licht wieder zu einem Funken zusammen.
    Marjes Blick suchte nach einem Versteck, einer schattigen Nische, in der sie sich verbergen konnte. Es gab keine. Die Wände hier oben waren glatt, ohne Vorsprünge, ohne Erker. Der Schein einer Fackel erhellte die Treppenstufen und breitete sich auf dem Boden vor ihr aus. Immer schneller verdrängte er das düstere Mondlicht.
    Marje wirbelte herum und lief. Ihre Schuhe rutschten auf dem glatten Boden. Gerade so konnte sie sich an der Wand abfangen und ihre Schritte in den Schatten lenken. In der Dunkelheit wich sie bis hinter den Kontrollraum zurück, blieb stehen und atmete, so flach sie konnte.
    Hinter ihr führte die Treppe nach unten, die Treppe, die Milan genommen hatte.
    Alles in Marje schrie nach Flucht, am liebsten hätte sie sich herumgeworfen und wäre Milan gefolgt, aber sie zwang sich, in der Dunkelheit zu verharren. Denn wenn der Alarm losgegangen war, und davon war sie überzeugt, dann würden auch von dieser Seite Soldaten kommen.
    Eilige Schritte waren zu hören. »Das war ja wieder klar. Mitten in der Schichtpause«, tönte eine tiefe Stimme. Zu Marjes Überraschung klang sie eher genervt als besorgt. »Wahrscheinlich wieder mal falscher Alarm. Dieser verdammte Mechanismus geht doch jede Nacht los.« Die Schritte verharrten. »Die Tür zum Kontrollraum ist jedenfalls verschlossen.«
    »Nachsehen müssen wir trotzdem«, erwiderte eine andere Stimme, sie klang etwas jünger. »Manter und Carun haben Geräusche aus dem Speicher gehört.«
    »Manter säuft zu viel. Der hört viel, wenn die Nacht lang ist«, brummte die tiefe Stimme, aber dann klirrte ein Schlüsselbund und die Tür zum Kontrollraum schwang auf. Marje hielt den Atem an. Los, beschwor sie die Männer. Geht rein! Los, rein da.
    Einen Moment später waren die Männer in dem Raum verschwunden. Marje sprintete zur Tür und warf sie zu. Als ein wütender Schrei von innen ertönte, war sie schon bei der Treppe. Sie nahm die Stufen mit zwei Sprüngen und hatte schon fast die nächste Biegung erreicht, als hinter ihr polternde Schritte ertönten. »Halt! Stehen bleiben«, hörte sie die Soldaten rufen. Etwas rutschte aus ihrer Tasche. Klirrend fiel es zu Boden, vielleicht ihr Stifteisen, aber Marje sah
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