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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri
Autoren: Carina Bargmann
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getrennt, weil Milan hoffte, so ihre Chancen zu erhöhen, sicher den Kontrollraum zu erreichen.
    Marjes Finger zitterten. Mist! Für die Stifteisen brauchte sie eine ruhige Hand. Entschlossen biss sie sich auf die Unterlippe und versuchte sich zu konzentrieren. »Shio, ich brauch mehr Licht!«, zischte sie, als das Irrlicht hinter ihrem Kopf verschwand und dieser einen dunklen Schatten auf das Schloss warf.
    Mit einem Surren landete Shio auf ihrer Hand.
    »Danke«, murmelte sie.
    Zu jedem Stockwerk führten zwei Treppen, die sich an den gegenüberliegenden Himmelsrichtungen befanden. Allerdings verschoben sie sich von Stockwerk zu Stockwerk in einem Viertelkreis. Wer im Norden in den zweiten Stock hochstieg, musste zur Ostseite oder Westseite des Gebäudes, um in den dritten zu gelangen.
    Unruhig blinzelte Marje wieder zu ihrem Stundenglas hinab. Sie waren es immer wieder durchgegangen – die Patrouillen der Wächter, ihre Pausen und vor allem der alles entscheidende Schichtwechsel.
    Eigentlich konnte nichts schiefgehen. Eigentlich.
    Das Stifteisen glitt abermals von dem Schloss ab. Hoffentlich sitzt Milan nicht in einer Ecke fest, aus der er ungesehen nicht mehr verschwinden kann, dachte sie und hätte am liebsten laut geflucht.
    Shio sirrte fragend um ihre Finger herum und machte sie zusätzlich nervös. Am liebsten hätte sie ihn eingesteckt und sich in der Dunkelheit des Ganges vor möglichen Blicken versteckt, um auf Milan zu warten. Bis zur Treppe war es nicht weit, jeden Moment konnte ein Wächter um die Ecke biegen und Shio und sie entdecken.
    Es war wunderbar, ein Irrlicht zum Freund zu haben, wenn man in der Dunkelheit Licht oder einen Führer brauchte, aber man hatte damit auch immer eine Laterne dabei, die nicht zu übersehen war und nicht gelöscht, höchstens verborgen werden konnte, denn Irrlichter erloschen nur, wenn sie starben.
    Wie ein Leuchtfeuer kam Marje der Funken vor, der unbeirrt um sie herumschwirrte und unruhig drängelte. Auch Shio hatte Angst, dass sie erwischt wurden. Berechtigte Angst, denn kein Soldat würde zögern, sie festzunehmen. Schließlich war es für Taller wie sie bei Todesstrafe verboten, sich einer der Zinaden mehr als zehn Schritte zu nähern.
    Marje presste die Kiefer zusammen, als sie an die Ungerechtigkeit dachte, die nun schon seit so vielen Jahren ihr Leben und das ihrer Freunde bestimmte. Sie war im Stadtteil der Taller aufgewachsen, dem äußersten Ring der Stadt, der an die Stadtmauern grenzte und auch neue Stadt genannt wurde. Die Zinaden dagegen waren unter Kontrolle der Liganer, die aus dem inneren Kreis der Stadt um den Palast herum stammten und der von Shanu, dem breiten Lebensstrom und seinen Adern, durchzogen war.
    Hohe Tore, dicke Mauern und tiefe Schleusen teilten die Stadt und beraubten die Bewohner der äußeren Viertel dessen, was sie am nötigsten brauchten: das Wasser von Shanu.
    Das war nicht immer so gewesen. Es war erst ein knappes halbes Dutzend Jahre her, als der Rat der Liganer entschieden hatte, das Wasser in der neuen Stadt zu rationieren, und der Palast hatte ihnen zugestimmt.
    Obwohl die Flüchtlingsströme, die nach den großen Kriegen und Hungersnöten in der Wüste in die neue Stadt strömten, nicht abreißen wollten und die Stadt über Wasser im Überfluss verfügte, denn die Quelle des Shanu versiegte nie, statteten die Liganer den äußeren Ring mit Kanälen und Schleusen aus, um die Wasserzufuhr kontrollieren zu können.
    Solange die Bürger dafür zahlten, wurde der Stadtteil der Taller aus den Zinaden gespeist, sobald sie allerdings die ständig steigenden Gebühren einmal nicht aufbringen konnten, wurde das Wasser abgestellt.
    Auch in der alten Stadt, im inneren Ring, wurden eigentlich Steuern für das Wasser verlangt, aber die Liganer schöpften es aus dem Fluss vor der Haustür und keiner kontrollierte sie dabei, wie es bei den Tallern außerhalb geschah, die nicht einmal einen Becher mit Wasser durch die Tore tragen durften.
    »So kriegst du das Schloss nie auf«, flüsterte es plötzlich hinter ihr.
    Marje schrak hoch. Ihr Puls schnellte in die Höhe, gleichzeitig hielt sie den Atem an und ihre Hand griff automatisch zu dem Messer an ihrem Gürtel. Im nächsten Augenblick erkannte sie Milans funkelnde Augen und atmete erleichtert aus.
    »Bei Turu! Bist du wahnsinnig?!«, fuhr sie ihn an und konnte doch nicht die Erleichterung verbergen, ihn zu sehen.
    Das Grinsen in Milans Gesicht wurde noch eine Spur breiter. »Klar. Für
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