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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri
Autoren: Carina Bargmann
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ihn kurz an, dann sank er zurück auf das Gras.
    Erschöpft ließ sie sich gegen Kiyoshi sinken. Seine Hände hielten sie fest, drückten sie an sich.
    Mit schweren Flügelschlägen kündeten sich die Greifen an. Ihr Schrei durchbrach die Stille des Palastgartens.
    Zögernd löste Sayuri sich aus Kiyoshis Arm. Der Greif war im Garten auf der anderen Seite des Sees gelandet. Sayuri konnte sehen, wie Suieen von seinem Rücken sprang und auf sie zugelaufen kam. Ohne etwas zu sagen, ging sie ihm entgegen und verbarg den Kopf an seinem Hals.
    Sanft erwiderte er die Umarmung und hielt sie einfach fest, den Kopf gegen ihren gelehnt.
    Stumm stand Kiyoshi da. Vage bekam er mit, wie Suieen berichtete, dass die Zentauren bereits den Palast erreicht hatten, doch er wandte sich einfach ab und ging ein paar Schritte zur Quelle, neben der noch immer Marje lag. Er hörte ein Summen, es kam ihm vertraut vor, fast wusste er es nicht einzuordnen, als Shio sich neben Marjes leblosen Körper setzte. Er dimmte sein Licht und seine zirpenden Laute klangen so klagend, dass es Kiyoshi fast das Herz brach.
    Sie sah so friedlich aus.
    Welcher Hohn war es eigentlich, der Toten diesen Gesichtsausdruck verlieh? Dabei hinterließen sie doch nichts als Schmerz, Verzweiflung und Fragen.
    Nie wieder würde sie ihn anlächeln, wütend werden, ihm ihre Meinung sagen, sich ihre Locken aus dem Gesicht streichen, Shios aufgeregter Stimme lauschen, die Hände in die Hüften stemmen.
    Er kniete sich nieder und legte seine Wange gegen die ihre. Die Haut fühlte sich bereits kalt und leblos an.
    Eine zarte Berührung ließ ihn zusammenzucken. Sayuri war ihm nachgelaufen. Ihre Hand tastete nach seiner und umklammerte sie. Nach einer Weile fasste sie ihn bei der Schulter und drehte ihn zu sich um. Kiyoshi sah in ihre wasserblauen Augen, in ihrem Blick stand eine Frage.
    »Ich werde mein Erbe antreten«, flüsterte sie.»Aber Kaiserin – das kann ich nicht werden. Wirst du Miros Erbe übernehmen?«
    Kiyoshi starrte sie an. »Ich kann nicht.« Seine Stimme war kaum zu hören, verschwand in einem Laut der Trauer. »Verstehst du nicht, Sayuri? Sie ist tot! Ich kann nicht tun, was du von mir verlangst! Nicht ohne sie! Niemals.«
    Sayuri nickte. Ihre großen Augen hielten ihn fest – gaben ihm Kraft, hielten ihn aufrecht.
    »Ich weiß, was du meinst«, sagte sie schlicht und die glockenhelle Stimme klang durch den Garten und vermischte sich mit dem Klang der Quelle. Sie beugte sich über Marjes leblosen Körper und strich der Freundin die Locken aus der Stirn.
    Dann wandte sie sich wieder Kiyoshi zu und sah ihn abermals an, ohne eine Bitte, ohne eine Wertung in ihren Augen, die nicht ganz von dieser Welt waren.
    Und genau dieser Blick war es, der Kiyoshi zur Besinnung brachte, ihn zum Weiterdenken zwang, obwohl sich alles in ihm sträubte. Denn wenn er sich tatsächlich ganz seinem Schmerz hingab – wenn er aus Trauer Sayuri nun allein ließ –, was unterschied ihn dann von Miro, der den Säugling hatte aussetzen lassen, weil er den Tod von Silla nicht ertragen konnte?
    Was machte ihn dann besser als seinen Onkel?
    Verdammt, Marje, dachte er verzweifelt. Wenn du mir noch sagen könntest, was ich tun soll!
    Sayuri ließ seinen Blick nicht los. So sahen sie sich an, vielleicht nur wenige Momente, vielleicht viele Stunden. Mach weiter! , konnte er Marjes Stimme hören.
    Er brauchte nichts zu sagen, er brauchte nicht zu nicken. Sayuri wusste auch so, was sein Blick ihr sagte.
    »Danke«, flüsterte sie. Sie nahm seine beiden Hände in die ihren. »Danke, Kiyoshi.«
    Er konnte die Kraft spüren, die aus ihren Händen auf ihn überfloss. Er konnte Sayuris Versprechen spüren, das in ihrem Händedruck lag. Er würde nicht alleine sein.

Epilog
    V or dem kleinen Hügel nahe der Quelle blieb er stehen. Saftiges Gras überzog ihn und ein alter Maloubaum hatte seine Wurzeln nach ihm ausgestreckt. An den tief hängenden Ästen des Baumes hingen bereits schwere Früchte, die in wenigen Wochen reif sein würden.
    »Du wärst stolz«, flüsterte er leise, den Blick auf das Grab gesenkt.
    Eine Weile stand er einfach nur da, wie fast jeden Tag, und sah auf den grünen Hügel hinab. Jeden Abend schöpfte er hier Kraft und beim Anblick des Grabes wuchs seine Entschlossenheit. Er wollte das Reich verändern, so wie sie es getan hätte, wenn sie noch hier wäre.
    »Es ist fast ein Jahr her …«, riss ihn Milans Stimme leise aus den Gedanken und Kiyoshi merkte, dass er die Hände zu
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