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Sax

Sax

Titel: Sax
Autoren: Adolf Muschg
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schon leiser, und im Geschäft ist er ganz weg. Wie soll ich ihn da einem Arzt in seiner Praxis vorführen? Wenn ich ihm die Tatsachen erzähle, wie sie sind, weiß ich, was er denkt. Peter Leu gehört dahin, wo seine Mutter geendet ist.
    Als Schinz zu schweigen fortfuhr, sagte Peter Leu: Du weißt noch nicht, wie sich der Tinnitus anhört. Es
schnalzt
.
    In Gottes Namen, laß es schnalzen. Lebensgefährlich kann es nicht sein, und wenigstens hört Elisabeth nichts davon.
    Leider doch, sagte Leu, ich habe selbst angefangen. Warum schnalzt du die ganze Zeit? fragte sie mich kürzlich, sie habe kein Auge zugemacht. – Schnarche ich wieder? fragte ich. – Du schnalzt, sagte sie, wir brauchen getrennte Schlafzimmer.
    Die haben wir jetzt, Thomas, und du kannst dir vorstellen, wie die Geschichte weitergeht. Ich schnalze jetzt auch am Tag. Kaum ist Elisabeth in der Nähe, beginnt es zu schnalzen.
    Kannst du dich nicht beherrschen, verdammt noch mal? fragte Schinz.
    Ich weiß ja gar nichts davon, sagte Leu leise.
    Das ist ja …! sagte Schinz erschüttert. – Aber bitte, lassen wir die Kirche im Dorf. Wir hocken jetzt schon bald drei Stunden zusammen, und weißt du, wie oft du geschnalzt hast? Nie! Kein einziges müdes Mal!
    Wir leben ja auch nicht miteinander.
    Ich will dir nicht nahetreten, aber schnalz doch mal. Damit ich mir etwas vorstellen kann.
    Das kann ich nicht.
    Das
kannst
du nicht?
    Es kommt, sagte Leu, wie ein Peitschenschlag. Elisabeth hält sich die Ohren zu. Sie glaubt es nicht. Ich glaube es auch nicht.
    Das ist ja kein Leben, sagte Schinz.
    Jetzt weißt du, warum wir ausgezogen sind.
    Ihr solltet einfach einmal zusammen … Schinz biß sich auf die Lippen.
    Verreisen
, wolltest du sagen.
    Mein Gott, nein! Es gut haben zusammen.
    Gern, wenn du mir verraten kannst, wie. Auf dem Haus liegt ein Fluch, Thomas. Man bleibt allein damit, Thomas.
Allein
.
    Das konnte Schinz sehen. Er wußte auch, warum Leu die Hypothek aufgestockt hatte. Das Haus gehörte eigentlich schon der Bank.
    Glück ist ein Luxus, sagte Leu. – Früher habe ich auf der Terrasse die Linde summen gehört … Seine Stimme brach.
    Jetzt erlaubst du, daß ich Licht mache, sagte Schinz. – Und als er zum Schalter ging, blieb er vor Leu stehen. – Weißt du, was Trockenwohner sind?
    Leu schüttelte den Kopf.
    Neubauten werden zu schnell aufgezogen. Sollen Rendite abwerfen, bevor die Wände trocken sind. Also braucht man erst mal Mieter auf Zeit. Junge Leute riskieren auch mal einen Rheumatismusfür ein zahlbares Dach über dem Kopf. Du brauchst Trockenwohner, Peter, die das Gemäuer ordentlich ausnüchtern.
    Leu sah an dem schweren Leib hinauf, der kaum merklich wippte.
    Jacques hat gerade Staatsexamen gemacht und sucht Räume für seine Praxis, mit zwei Kollegen. Das nennt sich Anwaltskollektiv, aber du weißt ja … wer mit zwanzig kein Kommunist ist, hat kein Herz, wer mit vierzig immer noch einer ist, hat keinen Verstand. So lange brauchen die Buben nicht. Du kennst Jacques. «Wer zweimal mit der gleichen pennt …» Aber es muß nur die Richtige kommen, dann gehört er schon zum Establishment. Moritz Asser ist der Sohn eines Textiljuden und in drei Jahren reif für eine Position bei mir. Der dritte heißt Achermann, Hubert, ein Bäckersohn aus der luzernischen Provinz, wollte mal Priester werden, aber jetzt ist er auf die Welt gekommen und wird ein erstklassiger Jurist. Die drei Jungen brauchen keine drei Jahre mehr, um etwas zu werden, aber eine Adresse brauchen sie. Deine Geister und das Gespenst des Kommunismus – die treiben sich gegenseitig aus, wetten? Du vermietest deine Dachwohnung an Achermann, Asser & Schinz, ich stehe für die Kosten gut. Nach drei Jahren zieht ihr wieder ein, Elisabeth und du. Der Spuk ist verflogen, und dein Tinnitus auch.
    Und die rote Mauritius … Wie regeln wir das?
    Ich zahle dann beide zusammen. Die rote und die blaue.
    Die blaue …Thomas, von der ersten Serie gibt es noch zwölf. Sie sind in festen Händen.
    Keine Hand ist so fest, daß man sie nicht mit einer Million öffnen kann.
    Wer weiß, ob die japanischen Stücke jemals auf den Markt kommen und wann.
    Du
bist der Markt, Peter. Sorg dafür, daß sie kommen.
    Wenn es die zweite Serie wäre … da hätten wir eine Chance.
    Mit einem zweiten Rang habe ich mich noch nie begnügt. Es ist der erste oder keiner. POST OFFICE, mein Lieber, nicht POSTPAID. Briefmarken sind heute auch nicht mehr, was sie mal waren. Die Zeit der Phantasiepreise ist
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