Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
gewesen, in der der Haß gewachsen war, all die Jahre über. Der Haß auf Leo.
    »Johanna Maurer nutzte den Vorteil, daß Marcus Saitz und Thomas Czernowitz sie wiedererkannten. So kam sie an ihre Opfer nahe genug ran. Nur Julius Wechsler hatte sie offenbar durchschaut.«
    Will stellte sich vor, wie Jenny auf Marcus zutrat und ihn umarmte. Und ihm dann die Finger um den Hals legte.
    »Er hat sich gewehrt, und sie mußte zuschlagen. So was verdirbt die Handschrift.« Karen Stark wechselte am Gambacher Kreuz auf die Autobahn Richtung Kassel. »Die DNS-Spuren, die wir gesichert haben, passen zur Maurer.«
    Will spürte, wie er unruhig wurde auf dem Beifahrersitz. Er brauchte eine Zigarette. Ein Glas Wein. Irgendwas.
    »Aber was mich am meisten interessiert …« Die Staatsanwältin jagte einen BMW. Will zog den Kopf ein. »Was hatte die Frau gegen Sie?«
    Nichts Besonderes, dachte Will. »Sie hatte was gegen Leo.«
    »Sagten Sie nicht, sie hätte ihn geliebt?«
    »Erst ja.« Und dann hat sie ihn verachtet. Weil er ein Feigling war. Oder?
    Will sah Leos Gesicht, sah ihn lächeln, bevor er sich den Lauf der Pistole in den Mund schob und abdrückte.
    Nein, er war kein Feigling. Aber er hatte aufgehört zu leuchten an jenem Abend, an dem er in der Wirklichkeit angekommen war. In der Nacht, in der Frau Sommer starb.
    »Und was mich auch interessiert: Was haben Sie eigentlich damals im Winter auf der Straße zu suchen gehabt? Und wieso lief Ihr Leo mit einer Signalpistole herum?« Karen Stark sah ihn von der Seite an.
    Will antwortete nicht. Er würde diese Geschichte niemandem erzählen. Niemals.
    Ehrenwort, Leo.

6
    Vor dem verwunschenen Haus lag ein weißer Bullterrier in der Sonne und beobachtete eine Katze, die sich genüßlich im Staub wälzte. Als Karen und Will auf ihn zugingen, hob er seinen kantigen Schädel und zog die Lefzen hoch, als ob er sich an einem Begrüßungslächeln versuchte. Dann erhob er sich, schüttelte sich und ging ihnen mit steifen Beinen entgegen.
    »Hallo Wotan. Hast du dich mit den Katzen vertragen?« Karen blieb stehen.
    Will ließ das Tier auf sich zukommen. Er machte keine Anstalten, sich zu dem Hund hinabzubeugen und ihn zu streicheln. Statt dessen hielt er ihm in gebührendem Abstand die Hand hin. Der weiße Hund streckte den Hals, sofern das bei seiner Statur möglich war, berührte mit der Nasenspitze Wills Knöchel und ließ sich dann zufrieden schnaufend zu seinen Füßen nieder.
    »Wotan!« Dalias Stimme klang nachsichtig. »Er scheint dich zu mögen.«
    Sie trug die dunklen Haare offen, und er sah sie das erste Mal nicht in Jeans, sondern in einem Kleid. Sie sah wirklich aus wie Schneewittchen.
    »Tut mir leid«, sagte Will und fühlte sich unbeholfen.
    »Mir auch«, sagte Dalia.
    »Sie haben sich beide völlig unnötige Sorgen gemacht. Und wenn Sie’s wissen wollen, Herr Bastian: Dalia Sonnenschein hat Sie ebenfalls gesehen, wie sie mit Johanna Maurer Arm in Arm die Zeil hinuntergingen. Auch sie hat sich ihren Reim darauf gemacht«, sagte die Staatsanwältin und ging auf das Haus zu.
    Das Gartentor öffnete sich, ein Mann mit drahtiger Figur und kurzen weißen Haaren umarmte Karen Stark. »Paul!« Sie küßte ihn auf die Wangen.
    Zwei Katzen sprangen auf den Küchentisch, als sie ins Haus traten, und beäugten Wotan, der so tat, als ob er sich für sie nicht interessierte. Will war sich sicher, daß er wie ein Blitz hinter ihnen her sein würde, sollten sie auf die Idee kommen, in seine Reichweite zu gelangen oder gar wegzulaufen.
    Paul Bremer – »ein alter Freund«, stellte Karen Stark ihn vor – hatte gekocht. Das kleine Haus roch nach Rosmarin und Thymian und Lorbeer und nach Lammfleisch.
    »Was für ein bösartiges Weib, diese Johanna Maurer«, sagte Karen, als sie um den großen Küchentisch herumsaßen und Paul Bremer das Essen auftrug. »Sie wollte sich offenbar an ihrem alten Liebhaber rächen, indem sie dessen Freundeskreis umbrachte, einen nach dem anderen.«
    »Um ihm die Morde in die Schuhe zu schieben«, sagte Will. »Deshalb bei jeder Leiche ein Pentakel.« Oder um uns angst zu machen. Das jedenfalls ist ihr gelungen.
    »Dann verstehe ich erst recht nicht, warum Sie nicht zu uns gekommen sind, als Sie die Rache des Leo fürchteten. Weil Sie den alten Freund nicht verraten wollten? Ist das nicht ziemlich absurd, wenn man bedenkt, daß Sie der nächste hätten sein können?«
    Karen Stark runzelte die Augenbrauen und hielt die Gabel in der Faust wie eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher