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Sauberer Abgang

Sauberer Abgang

Titel: Sauberer Abgang
Autoren: Anne Chaplet
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sich anfühlt, in der es keine Spannung, keinen Widerstand mehr gibt. Will legte sie behutsam auf die Bettdecke.
    Dann hielt er die Totenwache, bis die Nachtschwester kam.
     
    Zu Hause wartete die alte Frau Köhler schon auf ihn. Sie mußte gleich hinter der Wohnungstür auf ihn gelauert haben, denn sie kam herausgeschossen, kaum, daß er den dritten Stock erreicht hatte.
    »Herr Bastian, die Polizei war da und hat nach Ihnen gefragt!«
    Sie guckte ihn erwartungsvoll an. Sie hat noch nicht einmal den Anstand, nach Karl zu fragen, dachte Will und ging wortlos an ihr vorbei.
    »Aber Herr Bastian – ich habe gesagt, Sie sind im Krankenhaus – wie geht es überhaupt Ihrem Vater?« rief sie ihm mit dünner Stimme hinterher.
    Zu spät, dachte Will. Und was die Polizei von mir will, interessiert mich gleich gar nicht.
    Die Wohnung war viel zu groß und viel zu leer. Will tappte durch die Räume wie ein verlorengegangenes Kind. »Ich hatte dich noch so viel zu fragen, du alter Idiot«, flüsterte er beim Anblick der halbleeren Rotweinflasche und der Zigarettenschachtel auf dem Balkon. Er drehte den Schraubverschluß von der Flasche und setzte sie an die Lippen. Dann grüßte er hinüber zur Hochhaussilhouette am Horizont.
    »Beton.«
    Er nahm noch einen Schluck.
    »Kommt drauf an, was man draus macht.«

2
    Karen Stark lächelte und lächelte und lächelte. Dabei tobte sie innerlich vor Wut. Nichts war gräßlicher als das Bewußtsein, sich lächerlich gemacht zu haben. In aller Öffentlichkeit. Vor solchen Idioten wie Niels Keller. Denn offenkundig hatte er recht gehabt, der edle Ritter, nicht sie oder Manfred Wenzel.
    »Dem Pförtner ist nichts Außergewöhnliches aufgefallen.« Deitmer hatte sich erst mal dumm gestellt, wie immer.
    Karen versuchte ruhig zu bleiben. »Wir suchen nicht nach irgend etwas Außergewöhnlichem. Wir suchen nach etwas, das so normal ist, daß es dem Pförtner schon gar nicht mehr auffällt. Verstehen Sie? Wir suchen nach dem Postboten, dem Hausmeister, der Putzfrau und dem Gärtner!«
    Gieseking hatte in seinem Notizbuch geblättert. »Um 17 Uhr wurde die Post abgeholt, um 17 Uhr 32 ging die Sekretärin von Julius Wechsler, um 19 Uhr 20 kam der Putzdienst, um 20 Uhr 10 die Kontrolle …«
    »Welcher Putzdienst? Welche Kontrolle?«
    Gieseking blätterte. Karen redete sich gut zu.
    »Drei Mitarbeiterinnen von der Pollux Facility Management GmbH. Kontrolliert von der Chefin.«
    Also von Johanna Maurer. »Die Namen der drei Mitarbeiterinnen?«
    Gieseking hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.
    Natürlich. Wer interessiert sich schon für Putzfrauen. Aber sie waren das fehlende Glied in der Kette. Und jetzt wußte sie, daß ihre ursprüngliche Eingebung völlig richtig gewesen war: Die Morde an Marcus Saitz, Thomas Czernowitz und Julius Wechsler hatten etwas miteinander zu tun, über ihre Freundschaftsbeziehung hinaus. Bei allen dreien waren zur Tatzeit Mitarbeiter der Pollux Facility Management GmbH in der Nähe gewesen.
    »Bringen Sie mir Johanna Maurer. Und Dalia Sonnenschein. In mein Zimmer. Noch gestern.«
    Gieseking guckte Deitmer an. Karen merkte, wie sich ihr Lächeln verkrampfte. Jetzt keinen Fehler machen und ausrasten, dachte sie. Deitmer schloß die Augenlider und öffnete sie wieder, langsam.
    »Ohhh – kay«, sagte Gieseking.
    »Und kümmern Sie sich um Will Bastian. Er könnte der nächste sei.«
    »Schon geschehen.« Deitmer versuchte gelangweilt zu gucken.
    »Und?«
    »Er war nicht da.«
    Karen umklammerte die Armstützen ihres Schreibtischstuhls, bis ihre Finger weiß waren. »Dann suchen Sie ihn, lieber Herr Deitmer. Suchen Sie ihn. Und kümmern Sie sich um einen Mann namens Michel Debus. Der gehört auch zu diesem seltsamen Freundeskreis und dürfte ebenfalls gefährdet sein.«
    Oder er war der Täter. Denn auch das war immerhin möglich: daß einer der beiden übriggebliebenen Freunde der Täter war. Zwei potentielle Täter oder zwei potentielle Opfer. Die Lage war nicht sonderlich überschaubar.
    Karen vertrieb sich die Zeit mit einer zärtlichen SMS an Gunter, der zu einem Vortrag nach Berlin gefahren war, das hatte er jedenfalls behauptet. Sie blätterte lustlos in der neuen »Brigitte«, ging viel zu oft aufs Klo und wartete ungeduldig auf eine Antwort von Gunter. Oder auf irgendeine andere Erlösung.
    Endlich kam der Anruf. Die ausführenden Organe der Staatsgewalt hatten Johanna Maurer aufgetrieben. Wenigstens etwas. Karen sah auf die Uhr. Die Dame mußte gleich
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