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Eine bezaubernde Erbin

Eine bezaubernde Erbin

Titel: Eine bezaubernde Erbin
Autoren: Sherry Thomas
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KAPITEL 1
    Schicksal
    1888
    Es war Liebe auf den ersten Blick.
    Es war nichts dabei, sich auf den ersten Blick zu verlieben, aber Millicent Graves war nicht dazu erzogen worden, sich überhaupt zu verlieben, und schon gar nicht Hals über Kopf.
    Sie war das einzige Kind eines Mannes, der mit der Herstellung von Konservendosen reich geworden war. Lange bevor sie solche Dinge verstehen konnte, war entschieden worden, dass sie eine gute Partie machen sollte – damit durch sie das Familienvermögen mit einem alten und erhabenen Titel verknüpft werden würde.
    Millies Kindheit hatte daher aus endlosen Unterrichtsstunden bestanden: Musik, Zeichnen, Kalligraphie, Rhetorik, Etikette und, wenn noch Zeit blieb, moderne Sprachen. Mit zehn konnte sie anmutig mit drei Büchern auf dem Kopf die Treppe hinabschweben. Mit zwölf konnte sie stundenlang auf Französisch, Italienisch und Deutsch höfliche Konversation machen. Und an ihrem vierzehnten Geburtstag konnte Millicent, die kein besonderes musikalisches Talent besaß, endlich Liszts Douze Grandes Études spielen, was sie einzig und allein ihrem Fleiß und ihrer Entschlossenheit zu verdanken hatte.
    Im selben Jahr erkannte ihr Vater, dass sie niemals eine große Schönheit – oder überhaupt schön – werden würde, und begann die Suche nach einem aristokratischen Bräutigam, der verzweifelt genug war, ein Mädchen zu heiraten, dessen Familienvermögen von – Gott bewahre! – Sardinen herrührte.
    Die Suche endete zwanzig Monate später. Mr Graves war nicht besonders glücklich mit der Wahl, da der Titel des einen Earls, der bereit war, im Austausch für ihr Vermögen um die Hand seiner Tochter anzuhalten, weder besonders alt noch besonders großartig war. Aber Dosensardinen haftete ein derartiges Stigma an, dass selbst dieser Earl Mr Graves’ letzten Heller verlangte.
    Und dann, nachdem monatelang verhandelt worden, alle Vereinbarungen niedergeschrieben und unterzeichnet worden waren, besaß der Earl die Rücksichtslosigkeit, einfach im Alter von dreiunddreißig tot umzufallen. Jedenfalls empfand Mr Graves seinen Tod als gedankenlose Beleidigung. Millie weinte in der Ungestörtheit ihres Zimmers.
    Sie hatte den Earl nur zweimal gesehen und war weder von seinem blutleeren Äußeren, noch von seinem missmutigen Wesen begeistert. Aber er hatte auf seine Art ebenso wenig eine Wahl wie sie. Sein Landsitz war ihm in einem schrecklich baufälligen Zustand hinterlassen worden, und seine Pläne zur Verbesserung der Situation hatten wenig bis gar keine Wirkung gezeigt. Als er versuchte, eine Erbin von angesehenerer Herkunft zu umwerben, war er kläglich gescheitert, vermutlich, weil sowohl sein Aussehen als auch sein Charakter wenig hermachten.
    Ein temperamentvolleres Mädchen hätte sich gegen einen Bräutigam gewehrt, der siebzehn Jahre älter war als sie. Ein unternehmungslustigeres Mädchen hätte ihre Eltern davon überzeugt, dass sie sich selbst auf dem Heiratsmarkt umsehen durfte. Millie war kein solches Mädchen.
    Sie war ein ruhiges, ernstes Kind, das instinktiv verstand, wie viel von ihr erwartet wurde. Und obwohl es durchaus wünschenswert war, dass sie alle zwölf der Grandes Études gut spielen konnte statt nur elf, so ging es am Ende bei ihrer Ausbildung nicht um die Musik – oder um Sprachen oder Benehmen –, sondern um Disziplin, Selbstbeherrschung und Verzicht.
    Liebe war nie Teil der Gleichung gewesen. Ihre Meinung war nie Teil der Gleichung gewesen. Es war das Beste, dass sie sich von dem Prozess löste, denn sie war nur ein Rädchen in der großen Maschinerie, die „eine gute Partie machen“ hieß.
    In jener Nacht weinte sie allerdings um den Mann, der, genau wie sie, keinerlei Einfluss darauf hatte, wie sein Leben verlief. Aber die große Maschinerie ratterte weiter. Zwei Wochen nach der Beerdigung von Earl Fitzhugh luden die Graves seinen entfernten Cousin, den neuen Earl Fitzhugh, zum Essen ein.
    Millie hatte nur wenig über den verstorbenen Earl gewusst. Sie wusste noch weniger über den neuen, außer, dass er erst neunzehn Jahre alt war und in seinem letzten Jahr in Eton war. Dass er so jung war, verstörte sie ein wenig – sie war darauf vorbereitet gewesen, einen älteren Mann zu heiraten, nicht einen, der praktisch in ihrem eigenen Alter war. Aber davon abgesehen dachte sie nicht weiter über ihn nach: Ihre Hochzeit war ein Geschäftsabschluss, je weniger sie sich persönlich damit befasste, desto unproblematischer würde alles verlaufen.
    Leider
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