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Satans Bruder

Satans Bruder

Titel: Satans Bruder
Autoren: Jonathan Kellerman
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ihrer Instrumentenbauerfreunde, die letzte Phase des Baus zu überwachen, und konzentrierte sich wieder auf ihre Werkstatt.
    Und dann machte ihr rechtes Handgelenk schlapp - schwere Sehnenentzündung. Der Doktor meinte, außer einer längeren Pause würde nichts dagegen helfen. Sie war deprimiert und saß den ganzen Tag am Strand, obwohl sie beteuerte, es würde ihr nichts ausmachen.
    Zu meiner Überraschung schien sie sich wirklich ans Nichtstun zu gewöhnen. Sie lief jeden Morgen zum Strand hinunter, sogar im Herbst, in beißendem Wind unter stahlgrauen Wolken. Sie machte lange, einsame Spaziergänge auf den Klippen und sah den Pelikanen bei der Jagd zu.
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte sie. »Ich bin selbst überrascht, aber inzwischen glaube ich, dass ich dumm war, mir so lange keine Pause zu gönnen.«
    Im November lief dann unser Mietvertrag aus und der Besitzer eröffnete uns, er würde das Strandhaus seinem Sohn überlassen, um dessen stagnierender Karriere als Drehbuchschreiber auf die Sprünge zu helfen: In einem Monat mussten wir draußen sein.
    Kurz darauf kam Morelands Brief. Ich zeigte ihn Robin und rechnete damit, dass sie darüber lachen würde, doch sie sagte: »Nenn mich Robinson Crusoe.«

4
    Robin wurde von einem anderen Geräusch geweckt: Stimmen.
    Nebenan wurde gestritten: ein Mann und eine Frau.
    Die Worte waren durch die dicke Wand nicht zu verstehen, doch der Ton war eindeutig. Sie attackierten einander mit der zermürbenden Hartnäckigkeit, die von jahrelanger Übung zeugte.
    Robin setzte sich blinzelnd auf und wischte sich das Haar aus dem Gesicht. Die Stimmen verstummten für einen Augenblick, doch dann ging das Geschrei wieder los.
    »Wie spät ist es, Alex?«
    »Zwanzig vor sechs.«
    Ich setzte mich aufs Bett und nahm sie in den Arm. Sie war nass geschwitzt.
    »In zwanzig Minuten gibt es Abendessen«, stöhnte sie.
    »und ich habe immer noch nicht gebadet.«
    »Ich lasse dir das Wasser ein, wenn du willst.«
    »Seit wann bist du auf?«
    »Seit fünf.« Ich erzählte ihr von der Eidechse. »Erschrick also nicht, wenn du es irgendwo kratzen hörst.«
    Sie stieg aus dem Bett und streifte sich ihren Bademantel über. Dann lief sie im Zimmer herum und bewegte ihr Handgelenk.
    »Wie fühlt es sich an?«
    »Besser. Die Wärme scheint gut zu sein.«
    »Und das Nichtstun.«
    »Ja«, sagte sie, »die Heilkraft aktiven, bewussten Nichtstuns.«
    Robin hatte ein ärmelloses, weißes Kleid angezogen, das ihre olivfarbene Haut voll zur Geltung brachte. Kurz vor sechs gingen wir aus dem Zimmer, und als wir auf dem Weg zur Treppe waren, sagte jemand hinter uns: »Hallo.«
    Vor der Tür nebenan war ein Paar erschienen. Die Frau schloss die Tür ab und der Mann wiederholte seinen Gruß: »Hi. «
    Sie waren hoch gewachsen und in den Vierzigern.
    Beide trugen Khakianzüge mit Schulterklappen, wobei der seine recht abgetragen war und ihrer frisch aus der Packung zu kommen schien. Er hatte eine rote Nase, auf der sich die Haut pellte, und trug eine dickrandige Brille. Ein ergrauender Bart reichte ihm bis auf die Brust. Sein Haar war dunkler und dünn und quer über den Schädel gekämmt. Sie war eine vollbusige, rundgesichtige Brünette, stabil gebaut, das Haar straff nach hinten gespannt.
    Eine halbe Stunde vorher hatten sie sich die Worte um die Ohren geschlagen, doch nun hielten sie Händchen.
    »Dr. und Mrs. Delaware, nehme ich an.« Seine Stimme war tief und rau und sein Atem roch nach Schnaps. Aus der Nähe sah ich, dass sein Gesicht, trotz der Sommersprossen, eher grau war. Die rote Nase war offenbar nicht auf Sonnenbrand, sondern auf geplatzte Äderchen zurückzuführen.
    »Robin Castagna und Alex Delaware«, berichtigte ich.
    »Jo Picker, Lyman Picker - Dr. Jo Picker und Lyman Picker, sollte ich wohl sagen.«
    »Genau genommen heißt es auch Dr. Lyman Picker«, sagte die Frau, »doch wer kümmert sich schon um solchen Unsinn.« Ihre Stimme war ein tiefer Alt. Ihre Kinder mussten wie Nebelhörner klingen, wenn sie welche hatten.
    Sie taxierte Robin mit einem breiten Lächeln. Sie hatte hellbraune Augen, eine ebenmäßige Nase und etwas zu dünne Lippen. Ihre Sonnenbräune war so frisch wie ihr Anzug, an den Rändern noch rosig.
    »Ich habe gehört, Sie arbeiten mit Holz«, sagte sie. »Interessant.«
    »Wir haben uns sehr auf Ihr Kommen gefreut«, schaltete sich Picker ein. »So ist wenigstens der Tisch voll, wenn schon der Gastgeber nicht da ist.«
    »Ist er oft weg?«, fragte ich.
    »Das kann man
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