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Gebrochene Versprechen

Gebrochene Versprechen

Titel: Gebrochene Versprechen
Autoren: Marliss Melton
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Prolog
    Santiago de Cuba
    3. September, 15 Uhr 46
    Das hohe Sirren eines Moskitos riss Hannah aus ihrem Drogenschlaf. Sie setzte sich auf, ihr pochte das Herz in der Erwartung höchster Gefahr, ihr Körper war schweißgebadet. Sie fand sich allein und desorientiert in einem Raum, den sie ganz allmählich deutlicher erkennen konnte.
    Wo bin ich ?
    Abgesehen von dem Moskito und dem Trommeln ihres Herzschlags hörte sie nur, wie draußen vor dem vergitterten Fenster der Regen niederprasselte. Sie hatte das Bewusstsein zuvor schon einmal wiedererlangt, lange genug, um unter sich die schwankenden Bewegungen eines Boots wahrzunehmen. Doch davon spürte sie nun nichts mehr. Offenbar befand sie sich wieder an Land.
    Schwach vor Hunger und Durst schwang Hannah die Beine über die Bettkante. Die Drogen, die ihren Organismus verseuchten, bewirkten, dass die Wände näher rückten, der Boden sich nach oben hob und gegen ihre bloßen Fußsohlen prallte. Sie hielt still, bis diese unliebsame Wirkung nachließ.
    Sie saß in einer trostlosen Zelle zwischen vier steinernen Wänden, einer Tür und einem Fenster. Die Pritsche, auf der sie hockte, war mit Ketten an der Wand hinter ihr aufgehängt. Nahebei gab es einen primitiven Abort, von dem ein übler Gestank aufstieg.
    Warum bin ich hier? Was ist passiert?
    Hannah presste die Finger gegen ihre feuchtkalte Stirn und versuchte, gegen die plötzlich aufsteigende Übelkeit anzudenken. Erinnerungen schossen ihr durch den Kopf: Wie sie im Rückspiegel ihres Mustangs einen braunen Lieferwagen mit einem glänzenden Kühlergrill näher kommen sah und sich eine Frau mit flammend rotem Haar aus dem Beifahrerfenster beugte und mit einem Gewehr auf sie zielte. Pop! Der gedämpfte Schuss traf einen der Hinterreifen von Hannahs Wagen. Sie umklammerte das Lenkrad und versuchte, das Auto unter Kontrolle zu halten.
    Damit war ihr Versuch, die Behörden zu verständigen, vereitelt. Aus Rache stieg Hannah wütend auf die Bremse, worauf der Transporter krachend auf ihren Wagen auffuhr. Crash !
    Der Mustang war noch in Bewegung, als sie die Fahrertür aufstieß und hinaussprang. Wenn sie nicht schleunigst wegkam, würden diese Leute sie umbringen, genau wie sie es mit ihrem Kollegen getan hatten. Doch sie lief einem Riesenkerl mit hellen Augen in die Arme, der offenbar schneller in die Gänge gekommen war als sie. Er packte sie, sein Griff war wie ein Schraubstock, und drückte ihr einen feuchten Lappen aufs Gesicht. Hannah hielt die Luft an, doch während sie sich zu befreien versuchte, stiegen ihr beißende Chloroformdämpfe in die Nase. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie die Frau sich mit Spezialwerkzeug in der Hand zu dem Hinterreifen des Mustangs hinabbeugte. Sekunden später hatte sie ihn geflickt und aufgepumpt, stieg dann in das Auto und fuhr davon. Der Mann drängte Hannah in den Laderaum seines Transporters. Ihr war klar, dass er sie töten würde, weil sie zu viel wusste.
    Bloß dass sie nicht tot war … jedenfalls noch nicht.
    Statt sie zu töten, hatte er ihr eine Spritze verpasst und sie auf ein Boot verfrachtet, das endlos auf stürmischer See dahinschaukelte.
    Hannah stand mit unsicher zitternden Knien auf. Damit der Raum nicht vor ihren Augen schwankte, musste sie sich mit beiden Händen den Kopf halten. Da entdeckte sie zwei Schüsseln vor der Tür auf dem Boden stehen und schlurfte darauf zu.
    In einer war Wasser, in der anderen Reis. Sie sank auf die Knie und sog das Wasser in ihren ausgetrockneten Mund. Den Reis aß sie mit mehr Bedacht und betete, dass ihm nicht mehr von den Drogen beigemischt waren, die sie – wie lange eigentlich ? – bewusstlos gehalten hatten.
    Schon seit Tagen .
    Während sie kaute und schluckte, prüfte sie die Tür vor ihr. Sie bestand aus Edelstahl, war fest in der Wand verankert und hätte gut in eine Schweizer Bank gepasst, mal abgesehen von der Klappe, durch die man ihr vermutlich ihr Essen hingeschoben hatte. Ein Blick hindurch offenbarte auf der anderen Seite einen verlassen daliegenden, weiß getünchten Korridor.
    Als sie die Schüsseln geleert hatte, kam Hannah auf die Beine und wollte herausfinden, wo sie war. Sie ging zum Fenster und sah hinaus. Regen prasselte auf das, was sie für einen zwei Stockwerke tiefer liegenden, gefliesten Innenhof hielt. Die Vegetation in Gestalt von Bougainvillea hatte das Areal fest im Griff. Kreuz und quer wuchsen Ranken über den altertümlichen Hof und schienen etwas zu strangulieren, das früher mal ein Brunnen
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