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Satans Bruder

Satans Bruder

Titel: Satans Bruder
Autoren: Jonathan Kellerman
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beherrscht, frisch bezogen mit strahlend weißem Bettzeug und einer gelben, seidenen Überdecke. Auf einem der Nachttische stand eine Mattglasvase mit frisch geschnittenen Amaryllen und auf dem Kissen begrüßte uns eine zu einem kleinen Zelt gefaltete, weiße Karte. Die Seidenvorhänge vor den zahlreichen Fenstern waren geöffnet und von allen Seiten strahlte der Himmel herein.
    »Schau dir nur die Aussicht an!«, schwärmte Robin.
    »Der japanische Militärgouverneur sah sich als den König der Berge«, erklärte Romero. Er zeigte zu einer der schwarzen Bergspitzen. »Das Haus liegt ziemlich hoch. Der Gipfel dort drüben ist die höchste Erhebung der Insel. Dafür weht es hier das ganze Jahr und die Luftfeuchtigkeit ist ziemlich übel. Die Japaner dachten, die Berge würden sie vor einem Landangriff von Osten schützen. Aus demselben Grund hatte auch der deutsche Gouverneur hier gebaut. Die Japaner aber rissen das Haus nieder und machten alles auf ihre Weise. Sie brachten Geishas her und Tee- und Badehäuser.
    Neben dem Laden im Dorf gab es früher sogar ein Kino. Die Sklavenbaracken standen auf dem Feld, durch das wir gekommen sind, wo sich die Banyans eingenistet haben. Als MacArthur angriff, kamen die Sklaven heraus und fielen über die Japaner her, von denen noch vor der Bombardierung zweitausend zu Tode kamen. Manchmal stößt man heute noch auf alte Knochen und Schädel.«
    Er ging ins Badezimmer und probierte die Wasserhähne aus.
    »Das Wasser ist übrigens trinkbar. Dr. Bill hat alle Zisternen der Insel mit Aktivkohlefiltern ausrüsten lassen. Davor waren Cholera und Typhus ein großes Problem. Von den Muscheln hier ist immer noch abzuraten. Sie könnten giftig oder mit Rattendreck infiziert sein. Doch bei Obst und Gemüse brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Hier oben gibt es überhaupt keine Probleme. Dr. Bill produziert alles selbst. Das Essen in Slims Bar ist nicht besonders aufregend, aber der Chop Suey Palace ist besser, als es klingt. Das sagt jedenfalls meine Frau und die sollte es wissen als Chinesin. Von Zeit zu Zeit kocht Jacqui, der das Restaurant gehört, ganz interessante Sachen, zum Beispiel Vogelnestsuppe; je nachdem, was gerade da ist.«
    »Da ist also die Haifischflosse gelandet?«, sagte ich.
    »Bitte?«
    »Die beiden Burschen am Hafen - haben sie den Hai für das Restaurant zerlegt?«
    Er schob seine Brille hoch. »Ach die. Nein, das bezweifle ich.«
    Ein Mann mit grauen Haaren und Bart, der uns als Carl Sleet vorgestellt wurde, brachte unsere Taschen, und Romero erkundigte sich, ob er noch irgendetwas für uns tun könnte.
    »Nein, es scheint alles da zu sein.«
    »Okay. Hier ist Ihr Schlüssel. Abendessen gibt es um sechs. Sie brauchen sich nicht groß herauszuputzen.« Spike war schon im Wohnzimmer eingeschlafen und schnarchte friedlich, und als Romero weg war, ging ich mit Robin ins Schlafzimmer und schloss die Tür.
    Wir küssten uns, doch dann musste sie gähnen und riss sich lachend von mir los.
    »Danke gleichfalls«, sagte ich. »Zeit für ein Schläfchen?« »Erst will ich mich waschen.« Sie rieb sich die Arme. »Ich muss diese Salzkruste loswerden.«
    Ich nahm die gefaltete Karte vom Bett und las die handgeschriebenen Worte:
    Daheim ist der Seemann, zurück von der See,
Und der Jäger kehrt heim aus den Bergen.
R. L. Stevenson
    Bitte machen Sie mein Heim zu dem Ihren.
WWM
     
    »Robert Louis Stevenson«, sinnierte Robin. »Vielleicht ist das hier unsere Schatzinsel.«

3
    Ein Geräusch weckte mich. Etwas kratzte an einem der Fenster.
    Dann sah ich es: Eine kleine Eidechse rieb ihre Vorderklauen am Fliegengitter vor dem Fenster.
    Ich stieg aus dem Bett und betrachtete das Tierchen näher, wodurch es sich nicht vertreiben ließ. Seine Haut war hellbraun mit schwarzen Punkten. Aus dem mageren Kopf starrten mich zwei unbewegliche Augen an. Es kratzte noch ein Weilchen und huschte dann davon.
    Fünf Uhr. Ich hatte zwei Stunden geschlafen. Robin lag noch zusammengerollt unter der Bettdecke.
    Ich schlüpfte in meine Hose und ging auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer. Spike begrüßte mich japsend und wälzte sich auf dem Boden. Ich rieb ihm den Bauch, füllte seine Wasserschale auf und machte mir ein Tonic mit Eis. Dann setzte ich mich an eines der Fenster. Die Sonne war groß und kirschrot und der Ozean funkelte silbern.
    Ich fühlte mich wohl, wenn auch abgeschnitten - so weit entfernt von allem, was mir vertraut war.
    Ich wühlte in meinem Aktenkoffer nach Morelands Brief. Es
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