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Satans Bruder

Satans Bruder

Titel: Satans Bruder
Autoren: Jonathan Kellerman
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Himmel.
    Nun sah ich auch das Industriegebiet aus größerer Nähe. Die meisten der Gebäude waren geschlossen, auch die Tankstelle. Romero rauschte an den kleinen, weißen Behausungen vorbei. Aus der Nähe sah ich, wie schäbig sie waren: rissiger oder abgefallener Putz und zerbeulte und bemooste Blechdächer; überall volle Wäscheleinen. Nackte oder halb nackte Kinder spielten im Dreck. Manche der Gebäude waren mit Maschendraht eingezäunt, doch die meisten Grundstücke waren offen. Einige waren offenbar unbewohnt. Ein paar magere Hunde schnupperten müde im Abfall und ignorierten Spikes Gebell.
    Die Insel gehört zu den Vereinigten Staaten, doch wir hätten uns auch irgendwo in der Dritten Welt befinden können. Der einzige Lichtblick war die üppige Vegetation - breitblättrige Philodendren, Bromelien, blühende Korallenbäume und Palmen -, die viele der Häuser umgab wie ein smaragdgrünes Nest.
    »Wie war die Reise?«, fragte Romero.
    »Nicht schlecht, aber ermüdend«, antwortete Robin. Ihre Finger waren mit den meinen verschränkt und ihre braunen Augen funkelten aufgeregt. Die Brise, die durch die offenen Wagenfenster wehte, zerzauste ihre Locken und blähte ihr Leinenhemd.
    »Dr. Bill wollte Sie persönlich begrüßen, doch dann wurde er leider woanders gebraucht: Ein paar Kinder draußen am Nordstrand sind in einen Quallenschwarm geraten.«
    »Ich hoffe, es ist nichts Ernstes«, sagte ich.
    »Nein, nein, aber es brennt ganz gehörig.«
    »Ist er der einzige Arzt auf der Insel?«
    »Wir haben eine Praxis neben der Kirche. Ich bin der Sanitäter dort. Früher haben wir die ersten Fälle nach Guam oder Saipan ausfliegen lassen, aber dann ... Die Praxis reicht vollkommen für die meisten unserer Probleme hier. Aber ich bin ständig auf Bereitschaft.«
    »Leben Sie schon lange hier?«
    »Schon immer, außer meiner Zeit bei der Küstenwache und in der Sanitäterschule auf Hawaii. Dort habe ich auch meine Frau kennen gelernt, ein Mädchen aus China. Wir haben vier Kinder.«
    Als wir höher kamen, wurden die schäbigen Häuser immer weniger und irgendwann waren wir beinahe vollständig von öden, roten Tonfeldern umgeben, mit Bäumen, deren Luftwurzeln wie Kerzenwachs von den Ästen hingen und sich an den Boden klammerten.
    »Banyans?«, fragte ich.
    »Ja - Würgerbäume. Mit diesen Trieben zerquetschen sie alles, was das Pech hat, in ihrer Nähe zu wachsen. Unter den Wurzeln haben sie kleine Haken, mit denen sie sich festkrallen. Wir wollen sie hier nicht, aber sie wachsen wie verrückt. Diese da sind vielleicht zehn Jahre alt. Irgendwelche Vögel müssen die Samen aus dem Busch hierher geschleppt haben.«
    »Wo ist dieser Dschungel?«
    Er lachte. »Na ja, Dschungel ist vielleicht zu viel gesagt. Es gibt keine wilden Tiere und auch sonst nichts Besonderes; nur diese Banyans.«
    Er zeigte zu den Bergen. »Der Wald beginnt direkt östlich von der Inselmitte hinter Dr. Bills Land. Auf der anderen Seite des Buschs liegt Stanton, der Marinestützpunkt.« Er legte den ersten Gang ein, um ein besonders steiles Stück zu bewältigen, und rollte gleich darauf durch ein großes Holztor.
    Dahinter war die Straße frisch asphaltiert und von vier Stockwerke hohen Kokospalmen gesäumt, die in Abständen von drei Metern gepflanzt worden waren. Die Steinmauer ging in einen Kiefernzaun japanischen Stils und Klivienhecken über. Zu allen Seiten breitete sich ein sorgfältig manikürter Rasenteppich aus, bis zum Rand des Banyanwaldes, dessen Wipfel ein fernes, graues Band bildeten.
    Nach etwa hundert Palmen kamen wir auf einen weiten, kiesbedeckten Vorplatz im Schatten von Zedern, Aleppokiefern, Mango- und Avocadobäumen. In der Mitte sprudelte ein algenfleckiger Kalksteinbrunnen in ein Becken voller Hyazinthen. Dahinter erhob sich ein massives, zweistöckiges Gebäude mit hellbraunem Stuck, Kiefernverschalungen, Balkonen und einem glänzenden, grünen Pagodendach, das ringsum mit Dämonenköpfen verziert war.
    Romero schaltete den Motor ab, worauf Kiko von seiner Schulter sprang, die breite Freitreppe hinauflief und an die Tür klopfte. Spike folgte ihm auf dem Fuß und kratzte ebenfalls an der Tür. Robin schüttelte lächelnd den Kopf und stieg aus.
    »Keine Sorge«, beruhigte Romero sie, »die Tür ist aus Eisenkiefer. Das Holz ist jahrhundertealt und steinhart. Das ganze Haus ist wie eine Festung gebaut. Die Japaner haben es 1919 errichtet, nachdem der Völkerbund die Inseln den Deutschen abgenommen und sie dem japanischen
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