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Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Titel: Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Autoren: Torsten Fink
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Apei Ludgar hatte seinen Hut vergessen. Er stand auf der Mitte der Herzogsbrücke, blickte mit verkniffener Miene in den Regen, der schon während der halben Nacht über der Stadt niederging, und Wasser rann ihm kalt aus den Haaren in den Kragen. Die Huren … er hatte den Hut im Hurenhaus vergessen, weil der Regen, gerade als er das Rote Haus so beschwingt verlassen hatte, einen Moment lang ausgesetzt hatte. Der Vollmond war sogar für eine Weile hinter den Wolken hervorgekommen und hatte die Stadt in bleiches Licht getaucht. Aber dann hatten sich die Wolken wieder geschlossen, und jetzt stand Apei sich in Regen und tiefer Finsternis die Beine in den Bauch und wartete. Vielleicht sollte er zurückgehen, wenn das Geschäft erledigt war, nicht nur wegen des Hutes. Aber die Frage war, ob im Roten Haus dann noch jemand wach sein würde. Andererseits – seine Frau würde nach dem Hut fragen. Sie fragte ihn schon gar nicht mehr, wo er die Abende verbrachte, vermutlich, weil es ihr gleich war, aber nach dem Hut, nach dem würde sie fragen.
    Apei Ludgar spuckte missmutig in den Bach, der, angeschwollen vom tagelangen Herbstregen, unter der Steinbrücke hindurchtoste. Wenn das Geschäft heute zum Abschluss kam, konnte er sich jede Menge neue und bessere Hüte kaufen. Natürlich würde er die Stadt verlassen müssen, denn man würde bald viele Fragen stellen. Er würde im Süden ein neues Leben anfangen, auf Inseln ohne Regen, und ohne seine Frau – ein Gedanke, der ihm gefiel. Er ging ein paar Schritte auf und ab. Warum nur hatten sie als Treffpunkt die Mitte der Brücke vereinbart? Hier gab es nichts, wo man sich hätte unterstellen können, außerdem schützte nur die Nacht vor neugierigen Blicken. Auf der Neustadtseite der Brücke gab es einen Verschlag. Für gewöhnlich saß dort eine Wache, aber in dieser Nacht nicht, dafür hatte er selbst gesorgt. Apei Ludgar zog es zum wiederholten Male in Erwägung, hinüberzugehen und in diesem Unterstand zu warten, aber er hatte einfach zu viel Angst, seine Verabredung zu verpassen. Er hatte seinen Teil erfüllt, und nun wollte er der Gegenseite unter keinen Umständen einen Vorwand liefern, ihn nicht zu bezahlen. Er nieste. Wasser war durch die Nähte seiner alten Stiefel eingedrungen, und jetzt hatte er nasse Füße. Das Gehalt eines Verwalters in einer so armen Stadt wie Atgath war bescheiden. Neue Stiefel würde er sich ebenfalls machen lassen, wenn er endlich, endlich bekommen hatte, was er sich so mühsam verdient hatte.
    Er drehte sich um und zuckte erschrocken zurück. Wie aus dem Boden gewachsen stand eine große, dunkle Gestalt vor ihm, keinen Meter entfernt: ein Mann, ein wahrer Hüne. Apeis Herz setzte einen Schlag aus, und dann pochte es schnell und furchtsam. Der andere überragte ihn um mehr als einen Kopf, und der Regen schlug Apei ins Gesicht, als er zu ihm aufblickte. Er kniff die Augen zusammen, aber er konnte nicht mehr sehen als einen dunklen Umriss in der Nacht.
    » Wer …? Ich meine, Ihr seid nicht … Wo ist Ensgar, der Einäugige?«, stotterte Apei.
    » Habt Ihr getan, was vereinbart war, Apei Ludgar?«, fragte der Fremde.
    » Natürlich, natürlich«, beeilte sich Apei zu versichern. Er wagte nicht noch einmal zu fragen, wo der andere war, der, der ihm sonst immer die geheimnisvollen Befehle überbracht hatte. Der finstere Einäugige erschien ihm jetzt bedeutend harmloser als dieser Hüne. » Seht Ihr hier eine Wache, Herr? Nein, denn ich habe dafür gesorgt, dass sie andernorts ihren Dienst verrichtet.«
    » Und in der Burg?«
    » Ebenso, Herr, ebenso. Die Mauern sind nicht besetzt, nur die Tore, und mehr könnt Ihr nicht verlangen, Herr, denn wenn niemand an den Toren wäre, das würde doch auffallen.«
    » Wir haben auch nicht mehr verlangt.«
    » Natürlich nicht, Herr. Ich wollte nur sagen, dass ich mich an unsere Abmachung gehalten habe, Herr, mehr nicht, mehr nicht«, sagte Apei und bemerkte, dass er plapperte. Er versuchte seine Furcht zu unterdrücken, aber es gelang ihm nicht.
    » Das war klug von Euch, Verwalter.«
    Apei Ludgar fand, dass dieses Lob nicht so beruhigend klang, wie er es erwartet hätte. Er wünschte, die Wolken würden aufreißen, den Mond hindurchscheinen lassen und ihm endlich einen Blick in das Gesicht seines Gegenübers erlauben. » Ich habe eine Menge auf mich genommen, Herr«, stieß er hervor.
    » Ihr seid gut bezahlt worden«, kam es kalt zurück.
    » Und doch habe ich nichts von dem schönen Silber, wenn man mich in
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