Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Samuraisommer

Samuraisommer

Titel: Samuraisommer
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
Gemurmel. Es klang nach der Stimme der
Alten.
    „Hast du gehört, was ich gesagt habe? Was? WAS!“
    Das war die Alte.
    Jetzt ein Schlag, ich hörte einen Schlag. Einen
Schrei. Es war der gleiche Schlag, den ich am Tor gehört hatte, der gleiche
Schrei. Dieselben Stimmen. Dann wurde es still dort drinnen. „Es ist zu spät“,
sagte Christian.
    Ich wartete und versuchte zu verstehen, wovon sie gesprochen hatten.
Jetzt kam kein Wort mehr. Mir war jedenfalls klar, dass die Kinder in den
Schlafsälen in Gefahr waren. Wir waren alle in Gefahr. Die Tür im hinteren Teil
des Zimmers wurde geöffnet. Gleich würden Christian und die Ate herauskommen.
Kaum auszudenken, was passieren würde, wenn sie hierher kämen, um über den See
zu spähen und zu kontrollieren, ob sich irgendetwas um das Haus herum tat.
    Jetzt hörte ich schwere Schritte. Sie waren auf dem Weg hierher! Bis
zum See waren es fünfzehn Meter. Am Ufer standen einige Birken, die etwas
Schutz boten. Aber ich würde es weder dorthin noch auf die andere Seite des Hauses
schaffen, und außerdem konnte ich nicht erkennen, ob die Schritte von links
oder von rechts kamen.
    Einige Meter von der Stelle entfernt, wo ich lag, hing links vom
Fenster eine Feuerleiter.
    Ich sprang, packte die unterste Sprosse, konnte mich hochziehen und
hing schließlich kopfüber. Ich hatte das Gefühl, als würden die Sehnen in
meinen Kniekehlen zerschnitten.
    Ich schaukelte vor und zurück und konnte eine Sprosse weiter nach oben
greifen, und dann schaffte ich es, meine Füße auf die unterste Sprosse zu
stellen. Blitzschnell kletterte ich die Leiter hinauf. Sie reichte bis aufs
Dach und endete am Schornstein. Ich lehnte mich gegen die Ziegel. Sie fühlten
sich rau an der Wange an.
    Von hier aus konnte ich in alle Richtungen sehen.
    Ich hatte einen Blick über den ganzen See, der wie eine silberne Platte
im Mondschein lag. Ich konnte bis zum anderen Ufer schauen, obwohl es dunkel
war.
    Und ich sah den Waschplatz, den Spielplatz, das Karussell, die
Schuppen, die Baracken, alles dort unten.
    Ich sah das Haupttor. Plötzlich stürzte eine Gestalt herein. Kurze
Beine leuchteten im Mondlicht. Eine Rüstung blitzte im Mondlicht.
    Es war Klops.
     
    Klops hatte mit uns gehen wollen. Er wollte ganz vorn dabei sein,
wenigstens einmal. Er wollte beweisen, dass er genauso mutig war wie jeder
andere. Ich hatte ihm gesagt, das habe er schon bewiesen, als wir uns nachts
vom Camp zum Schloss geschlichen hatten. Das war mutig von ihm gewesen, und er
wusste es. Jetzt wollte er wieder mutig sein.
    Er trug Kampfkleidung und hatte sein Schwert gezückt, während er lief.
Plötzlich schrie er etwas, einen Kampfruf, der über den ganzen See hallte. Ich
hatte nicht gewusst, dass Klops so laut schreien konnte. Wieder schrie er.
Vögel erhoben sich aus ihren Nestern, ich hörte das Flattern ihrer Flügel um mich
herum.
    Klops lief auf das Haupthaus zu, auf dessen Dach ich saß. Er konnte
mich nicht sehen. Ich versuchte zu rufen, aber er konnte mich nicht hören, weil
er selber so laut schrie. Niemand lief neben ihm oder hinter ihm her. Keiner
der drei am Waldrand hatte ihn aufgehalten. Er musste aus einer anderen
Richtung gekommen sein.
    Unten wurde eine Tür aufgerissen. Schritte auf der Treppe. Ich beugte
mich vor und stützte mich am Schornstein ab, aber ich konnte nichts sehen.
Klops hatte das Haus fast erreicht. Und dann verschwand er aus meinem Gesichtsfeld.
Ich hörte seine Schreie, aber sie brachen jäh ab. Dann hörte ich einen Seufzer
oder ein Flüstern. Es klang, als müsse der Laut seinen Weg aufs Dach suchen. Da
war es wieder, es kroch langsam die Dachziegel herauf. Es war ein unheimliches
Geräusch. Und dann erstarb auch das.
    Jetzt hörte ich wieder Stimmen. Vorsichtig rutschte ich die Leiter auf
dem Dach hinunter, zur Dachrinne. Ich spähte über die Kante und sah den
Lichtkegel von dem offenen Fenster. Eine Weile bewegten sich Schatten in dem
Licht, dann verschwanden sie. Ich begann den Abstieg. Ich dachte an Klops, an
die Stille hinterher. Es war eine unheimliche Stille. Sie war schlimmer als
seine Schreie.
    Als ich etwa auf der Hälfte der Leiter war, hörte ich die Stimmen
deutlicher. Ich erkannte sie.
    „Was hast du GETANE“
    Es war Christian.
    „Er ist einfach angestürzt gekommen. Du hast es
doch selbst gesehen.“
    „Ist das ... ist das sein Schwerte“
    „Wem sollte es sonst gehören? Meins ist es
jedenfalls nicht.“
    „Ist er ... ist er ...“
    Das war wieder Christians Stimme.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher