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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz
Autoren: Ines Eberl
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Schreibtisch und schaute hinaus in den strahlend blauen Sommerhimmel. Seufzend stand er auf und ging von seinem Schreibtisch auf das geöffnete Fenster zu. Das sternengemusterte Parkett knarrte unter seinen Schritten. Er stützte die Hände auf die breite Fensterbank und warf einen Blick auf die Gasse hinab.
    Von dieser Stelle aus bot ihm die Salzburger Altstadt das Bild einer mechanischen Spielzeugwelt. Wie auf Schienen bewegten sich die Menschenmassen durch die Sigmund-Haffner-Gasse, an deren Ende sie entweder in Richtung des Domplatzes abbogen oder in Richtung Festspielhaus.
    Die Sonne brannte auf die erst kürzlich fertiggestellte Ladenfront der gegenüberliegenden Häuser, deren Fassade im barocken Stil restauriert worden war. Die neuen schmiedeeisernen Zunftschilder glänzten. Zwei Mädchen schwitzten unter ihren gepuderten Perücken, während sie in ihren bonbonfarbenen Kunststoffkostümen perfekt nachgebildete weiße Federn mit Parfüm besprühten und sie lächelnd an die Vorübergehenden verteilten. Vom Café Tomaselli näherte sich eine mit Touristen besetzte Kutsche. Die Hufe der Fiakerpferde klapperten auf dem Kopfsteinpflaster, das seit ein paar Jahren die frühere Asphaltdecke ersetzte. Der heftige Regen vor ein paar Tagen hatte nur kurz für Abkühlung gesorgt. Nun hing eine staubige Wolke heißer Luft zwischen den eng stehenden Häusern.
    Bosch schloss die Fensterflügel und setzte sich wieder an den Schreibtisch. Er liebte sein Zimmer, auch wenn es streng genommen gar nicht seines war. Professor Salchenegger nahm sein Recht, als Institutsvorstand in Ruhe zu Hause zu arbeiten, gerne in Anspruch, dennoch war es mehr als großzügig von ihm, seinem Assistenten die Benutzung des Büros zu erlauben. Manchmal erschien Bosch das lichtdurchflutete Zimmer wie eine Befreiung von seinem eigentlichen Arbeitsplatz, einer winzigen stickigen Kammer, deren einziges Fenster auf einen dunklen Innenhof ging. Er wusste das Vertrauen zu schätzen, das diese Vergünstigung bedeutete.
    Mit der hohen stuckverzierten Decke, den im Laufe vieler Jahre nachgedunkelten Holzdielen und den ringsum an den Wänden stehenden Bücherregalen erinnerte der Raum eher an eine Bibliothek als an ein Büro. Der runde weiße Kachelofen in der Ecke verströmte eine warme Atmosphäre, obwohl sich Bosch nicht erinnern konnte, den Ofen je in Betrieb gesehen zu haben.
    Sein ganzer Stolz aber war das einzige Bild im Raum, das direkt gegenüber dem Schreibtisch neben der Doppelflügeltür hing, die ins Vorzimmer führte. Es war ein silbergerahmter Stich aus dem 17. Jahrhundert und zeigte eine Stadtansicht von Wien. Die zarten Linien gaben den Stadttoren, den Häusern und sogar dem spitzen Turm des Stephansdoms etwas Leichtes, fast Schwebendes. Der Stich war Boschs persönlicher Besitz und ziemlich teuer gewesen. Doch jedes Mal, wenn er sich fragte, ob es nicht leichtsinnig war, etwas derart Wertvolles in ein öffentlich zugängliches Büro zu hängen, genügte ein Blick, und das Bild blieb, wo es war.
    Gerade wollte er sein Diktat wieder aufnehmen, als es energisch an die weiße Flügeltür klopfte.
    »Herr Doktor, guten Morgen. Ich störe doch nicht?« Frau Happel, die Sekretärin, steckte den Kopf zur Tür herein.
    »Guten Morgen, Frau Happel, was gibt’s denn?« Bosch spürte, wie ein Schweißtropfen langsam seine Schläfe hinabrann und am Bügel seiner dicken Hornbrille zum Stillstand kam. Er nahm die Brille ab und warf der Sekretärin einen fragenden Blick zu, so gut das mit drei Dioptrien eben möglich war.
    Frau Happel blieb im Türrahmen stehen, eine Hand hinter dem Rücken versteckt und ein geheimnisvolles Lächeln auf den Lippen. Ihr blau-weiß gestreiftes Sommerkleid wirkte frisch, und die braune Kurzhaarfrisur saß so untadelig wie immer. Die Sommerhitze schien ihr nichts auszumachen, während er es schon jetzt, um halb zehn am Vormittag, kaum mehr aushielt. Mit einer schwungvollen Geste zog sie einen winzigen Blumenstrauß hinter ihrem Rücken hervor.
    »Meinen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!« Strahlend kam sie auf ihn zu, blieb an der Schreibtischkante stehen und hielt ihm die Blumen direkt vors Gesicht.
    Bosch starrte auf die kleinen gelben und rosafarbenen Seidenröschen und die mit Golddraht umwickelten Gewürznelken, deren süßlichen Duft er verabscheute. »Ein Gewürzsträußchen …« Er musste heftig niesen.
    »Gesundheit, Herr Doktor«, sagte die Sekretärin freudestrahlend.
    »Danke«, murmelte Bosch.
    Er stand
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