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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz
Autoren: Ines Eberl
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Happel. »Gestorben halt. Im Krankenhaus. An einer Pilzvergiftung.« Dann schlug sie die Hände vors Gesicht und fing hemmungslos zu schluchzen an.
    Boschs Finger schlossen sich so fest um das Gewürzsträußchen, dass die spröde Seide der kleinen Rosen brach. Der scharfe Golddraht bohrte sich in die Innenfläche seiner Hand. Er biss sich auf die Lippen. Dann fiel ihm ein, dass auf der letzten Fakultätssitzung von einer Herzerkrankung des Professors gemunkelt worden war.
    »Und Sie sagen, es war eine Pilzvergiftung?«, wandte er sich wieder an die Sekretärin, die schluchzend auf die Gasse hinabsah. »Haben Sie das auch richtig verstanden?«
    Frau Happel drehte sich um. Ihre Wimperntusche hatte sich aufgelöst. Schwarze Farbe lief ihr über die Wangen und hatte sich in den feinen Fältchen um ihre rot geweinten Augen festgesetzt. Mechanisch hielt ihr Bosch eine Packung Papiertaschentücher hin.
    »Am Freitag war doch das … das Schwammerlsuchen. Zum Semesterabschluss«, schniefte sie. »Und bei dem letzten Regen – da schießen die Pilze nur so aus dem Boden.« Sie zog ein Taschentuch aus der Packung. »Und Sie wissen ja, wie gern unser Herr Professor in die Pilze gegangen ist.«
    »Ja … äh, ja aber …« Bosch konnte es nicht glauben. Ausgerechnet Arnulf Salchenegger. Pilze waren seine Leidenschaft. Er hatte sogar ein kleines Fachbuch über im Alpenraum wachsende Pilzsorten verfasst. Und jedes Jahr lud er seine Diplomanden zu Beginn der Semesterferien zum Schwammerlsuchen ein. Bosch kannte das Prozedere. Man fuhr mit einem eigens gemieteten Bus ins Tennengebirge, stöberte unter Anleitung des Professors einige Zeit im Unterholz des Bergwaldes, um sich dann mitsamt der Ausbeute des Tages in den Gastgarten eines gemütlichen Wirtshauses zu verfügen. Und dort gab es dann immer einen kleinen Vortrag über die heimischen Pilze unter besonderer Berücksichtigung der gefundenen Exemplare. Unmöglich, dass dabei ein giftiger übersehen wurde.
    Frau Happel putzte sich geräuschvoll die Nase. »Bitte entschuldigen Sie mich jetzt, Herr Doktor, ich muss mich mit dem Dekanat in Verbindung setzen. Es müssen jetzt ja so viele Dinge … Entschuldigung!« Sie presste das nasse Taschentuch vor den Mund, drehte sich um und lief weinend aus dem Zimmer.
    Mit einem Knall fiel die Tür hinter der Sekretärin ins Schloss. Das alte Holz hatte die weiße Farbe aufgesogen, sodass stellenweise die Maserung hervortrat. Das Türblatt schien sich unter Boschs starrem Blick in eine kalkig-glatte Marmorplatte zu verwandeln, aus der mit einem Mal Pilze wuchsen, mehr und immer mehr, bis sie schließlich die ganze Tür mit ihren bizarren Formen überwucherten.
    Ein pochender Schmerz riss Bosch aus seinen Gedanken. In der rechten Hand hielt er noch immer den kleinen Geburtstagsstrauß umklammert. Er öffnete die verkrampfte Faust und sah auf die zerdrückten Seidenrosen. Die Kunstblumen wirkten wie echte Blumen, doch verwelkt und tot. Langsam ließ er den Kopf sinken, bis seine Stirn auf die kalte Schreibtischplatte traf. Dann weinte er wie um einen verlorenen Freund.

DREI
    Die Festung Hohensalzburg schien von den langen Lichtfingern der Scheinwerfer gehalten über dem abendlichen Stadtpanorama zu schweben. Zu ihren Füßen, in der Hofstallgasse, drängte sich eine festlich gekleidete Menschenmenge, eingehüllt in eine Wolke aus Autoabgasen, Schweiß, teuren Parfüms und beißendem Pferdeurin, den die im Schritttempo vorüberfahrenden Fiaker hinterließen. Geduldig warteten die Besucher in eleganter Abendgarderobe vor dem Festspielhaus auf Einlass. Sie schienen die kühle Abendluft zu genießen, die Männer im Smoking oder dunklen Anzügen und die Frauen in auffallenden Abendroben oder Seidendirndln. Einige Kameramänner und Reporter, die überdimensionalen Mikrofone im Anschlag, kämpften sich einen Weg durch die Menge.
    Hubert Festenberg kam sich in seinen zerfransten Turnschuhen etwas deplatziert vor, hatte aber einen Platz zwischen den im Boden eingelassenen Lichtbändern der Hofstallgasse ergattern können. Aufmerksam verfolgte er die Ankunft einer dunklen Limousine, die soeben vorfuhr. Ihr entstiegen ein älterer Herr, der sich mit einem schnellen Seitenblick der Aufmerksamkeit der anwesenden Presse versicherte, und eine junge, offensichtlich tödlich gelangweilte Blondine. Der ältere Herr ergriff jovial lächelnd die Hand seiner Begleiterin und schritt mit ihr auf das Festspielhaus zu. Wie erwartet drehte er sich unter dem von
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