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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz
Autoren: Ines Eberl
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Und in seinen Weihnachtsplänen war die liebe Familie nicht vorgesehen.
    »Fahr doch selbst zu deinen Eltern«, sagte er und hörte sofort, wie grob das klang. »Tut mir leid.«
    Ein kleines Lächeln spielte um ihren Mund. »Das geht nicht.«
    »Ach, nicht?«
    »Nein.« Ihre Lider sanken ein wenig herab, und sie schwieg. Dann hob sie plötzlich den Kopf und sagte: »Die sind tot.«
    »Das … das wusste ich gar nicht.« Bosch hätte sich ohrfeigen können. Im Gegensatz zu ihr hatte er wenigstens Eltern. Zumindest theoretisch. »Ich bin ein Tollpatsch.«
    Doch sie lachte nur. »Schon gut, ist lange vorbei. Und mein Ex-Mann feiert mit Gattin und neuem Baby. Bin froh, wenn ich den nicht sehe.«
    Sie zeichnete mit ihrem Fingernagel das eingewebte Sternenmuster auf dem Damasttischtuch nach. »Außerdem sind die meisten Leute misstrauisch und wollen lieber nicht beobachtet werden. Von einer Society-Hyäne, meine ich.« Sie tippte seine Hand an. »Aber du hast ja zum Glück keine solchen Berührungsängste.«
    Bosch fiel die gedruckte Weihnachtskarte auf seinem Schreibtisch ein. Seine Familie, die ihm zu allen Anlässen schrieb. Das hieß, seine Mutter, denn sein Vater hatte sich seit Jahren nicht mehr bei ihm gemeldet. »Vielleicht sollte ich meinen alten Herrschaften ja wirklich mal wieder einen Besuch abstatten«, meinte er. »Die würden Augen machen. Das auf alle Fälle.«
    Katharina beugte sich vor und legte wieder ihre Hand auf seine Hand, die noch immer in der Nähe der Kekse lag. Diesmal zuckte Bosch nicht zurück.
    Nach ein paar Sekunden ließ Katharina seine Hand wieder los. »Also, abgemacht, du fährst mit!«
    Die Fensterrahmen der »Goldenen Gams« knarrten laut. Draußen trieb der Wind in heftigen Böen wahre Schneemassen vorbei und ließ das Glas in den alten Holzrahmen zittern. Die Kollegienkirche war hinter einer weißen Wand verschwunden.
    »Ich bin zu dick für dein Auto«, sagte Bosch.
    »Ich hab jetzt einen Range Rover.« Katharina hob ein wenig die Arme links und rechts ihres Körpers. »Mit so breiten Sitzen.«
    »Für die Bergstraßen in Hamburg, was?« Bosch grinste. Nur fürs Flachland hatte sie sich den Geländewagen wohl nicht gekauft.
    »Ganz genau.«
    Jetzt mussten beide lachen.
    »Also, gut, meinetwegen«, seufzte Bosch. »Abgemacht.«
    Katharina winkte dem Kellner, der sofort mit zwei Dessertkarten an ihren Tisch eilte.
    »Danke, Florian, wir brauchen die Karte nicht. Bringen Sie uns einfach diese … diese Salzburger Nockerl, für zwei.« Bosch traute seinen Ohren nicht. »Mit einer Extraportion Himbeeren.«
    Katharina hatte wie immer recht. Salzburger Nockerl waren die Krönung dieses Abends. Auf die Idee mit den Himbeeren wäre er zwar nicht gekommen, aber ab heute war er wieder offen für Neues.
    Sie goss den Rest des Zweigelts in ihr bisher unberührtes Rotweinglas. Dann fasste sie den schlanken Stiel und schwenkte den glänzenden Kelch. Das flackernde Licht der Kerzen brach sich in dem Wein wie in einem Prisma.
    »Na? Zufrieden?«
    Katharina war wirklich die netteste Frau, die er sich vorstellen konnte. Und die schönste. Und die Autofahrt auf den Arlberg würde er auch irgendwie überstehen.
    »Kopf hoch, Hans«, sagte sie und lächelte ihn an. »Lass mich nur machen.«

Ines Eberl
    JAGABLUT
    Alpen Krimi
    ISBN 978-3-86358-091-9
     
     

Leseprobe zu Ines Eberl
JAGABLUT
:
    EINS
    Mit der Nacht kam der Nebel. Er quoll über die gezackten Berggipfel, ballte sich zusammen und kroch in Schwaden durch Felsrinnen und Lärchenwälder die Bergflanke hinab. In der scharfen Luft lag eine erste Ahnung von Schnee. Auf dem Holzschindeldach der Almhütte glitzerten Reifkristalle im Schein des Oktobermondes, der hin und wieder durch die treibenden Wolken brach.
    Sanft berührte ein weißer Nebelschleier den Mann, der sich wenige Schritte vor der Hütte auf dem feuchten Moos krümmte, legte sich wie eine leichte Decke über ihn und überzog den groben Stoff seiner geflickten Jacke und das abgeschabte Leder seiner Bundhose mit gefrierender Nässe. Der Mann spürte die Kälte in seiner rechten Hand, wenn er immer wieder über das klamme Leder strich, das seine gefühllosen Oberschenkel bedeckte. In seinem Rücken brannte ein Feuer, und der Schmerz zwang ihn, so flach wie möglich zu atmen. Er wusste, dass der Vollmond das Wetter umschlagen ließ. Im Laufe der Nacht würde der Nebel aufreißen und sich auflösen, und sein schutzloser Körper würde der Kälte, die sich schon jetzt schmerzhaft bemerkbar
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