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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz
Autoren: Ines Eberl
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leise. Wie oft hatte er darüber nachgedacht. Er war gekränkt gewesen, er hatte Franz’ Notlage erkannt, und er war ihm ausgewichen. War er nun ein Mörder?
    »Was? Du?« Katharina lachte so laut auf, dass die Blondine vom Nachbartisch zu ihnen herübersah. »Ich bitte dich, Hans, Schwarzenberger hat gut zwei Zentner gewogen.«
    »Die wiege ich auch.« Bosch starrte auf seinen leeren Suppenteller. »Wenn nicht noch mehr.«
    »Aber du bist kein Herkules«, sagte Katharina.
    Die Blondine deutete mit der Spitze ihres Messers auf Katharina und redete unter heftigem Ohrringgeschaukel auf ihren Begleiter ein. Der Mann warf einen kurzen Blick auf Katharina und wandte ihr dann hastig wieder den Rücken zu. Hatten sie ihr Gespräch etwa mitgehört?
    »Ich hätte es versuchen müssen«, sagte Bosch. Die Meinung der Leute am Nachbartisch war ihm so egal wie die aller anderen Menschen. Bis auf Katharina.
    »Ich bin sicher«, sagte Katharina leiser und beugte sich etwas vor, »er hätte dich mitgerissen.«
    Bosch schwieg einen Moment. »Vielleicht wollte ich mich ja rächen, was weißt du denn?«
    War sie jetzt schockiert? Oder von ihm enttäuscht? Bosch konnte in ihrer Miene keine Ablehnung entdecken.
    Die Kerzenflamme flackerte in einem unsichtbaren Windhauch vom Fenster her. »Franz hat mich verfolgt, mein Freund, mein Studienkollege. Tag und Nacht, wie ein Alptraum. Mit seinen wilden Bildern, mit seinem Erfolg. Ich hab ihn bewundert und beneidet … Und am Ende hab ich ihn wirklich gehasst.«
    Man hatte Franz’ Leiche erst bei Tagesanbruch gefunden. Die Bergung im steilen Gelände war schwierig gewesen, doch die Obduktion hatte einen solch hohen Alkoholgehalt im Blut ergeben, dass niemand den Unfalltod bezweifelt hatte. Über dem Museum der Moderne hatte tagelang die schwarze Fahne geweht, und die Honoratioren der Stadt hatten sich bei der Beisetzung in Trauerbezeugungen übertrumpft. Bosch mied seither den Weg über den Friedhof von St. Peter.
    »Und deshalb hast du ihn nicht gerettet?«, fragte Katharina. »Willst du das damit sagen?« Jetzt wirkte sie doch etwas geschockt. »So ein Quatsch«, sagte sie, aber sie beobachtete ihn über den Rand ihres Glases.
    »Glaubst du?« Bosch rang sich zu einem Lächeln durch.
    Er starrte in die Tischkerze, deren langer Docht jetzt blakte. Zwei kleine Rauchsäulen stiegen wie Hörner von der züngelnden Flamme auf. »A hare« von Barry Flanagan. Der Hase in der Galerie Tappeiner, den er für den Teufel gehalten hatte. Er hätte die Skulptur als Warnung verstehen und nach Hause gehen sollen. Stattdessen musste er ja unbedingt zusehen, wie Franz sich vor seinem Publikum produzierte. An jenem Abend hatte die Tragödie ihren Anfang genommen. Franz hatte ihm zugewunken und ihn geneckt und genauso wenig wie er selbst erkannt, worauf sie beide zusteuerten.
    Der Kellner servierte schwungvoll den Hauptgang. »Einmal das Steak à la minute«, verkündete er und stellte einen überdimensionalen Teller mit großer Geste vor Katharina ab. »Und einmal das Gansl mit Rotkraut und Briocheknöderl. Sehr guten Appetit. Ich bin Florian, wenn die Herrschaften mich brauchen.«
    Auf Boschs Teller lag eine fingerlange Scheibe Gänsebrust neben einem Löffel Rotkraut. Und das Knöderl war wirklich ein Knöderl. Er hätte sich einfach auf seine Malerei konzentrieren und es bei einer anderen Galerie versuchen sollen. Vielleicht in Deutschland oder England. Und sich nicht um Franz kümmern.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte Katharina.
    »Doch, doch«, sagte Bosch schnell. »Es ist nur … sehr übersichtlich.«
    Katharina lachte und schnitt ein winziges Stück des von einem Petersilienstängel gezierten Rindermedaillons ab. Bosch teilte den Briocheknödel und stocherte ein wenig unschlüssig im Rotkraut herum.
    »Ich suche übrigens eine Wohnung in Salzburg.« Katharina stach in den knackigen Salat. »Oder ein Haus.«
    »Ja?« Bosch hatte sich inzwischen für den Briocheknödel entschieden.
    »Ich war gestern in Aigen und hab mir das Salchenegger-Haus mal angesehen.« Katharina beschrieb mit ihrer Gabel einen Kreis in der Luft. »Im Garten liegt meterhoch Schnee, und die Wege sind auch nicht geräumt. Es macht einen total verlassenen Eindruck.«
    Bosch teilte nun die Gänsebrust sorgsam in drei gleich große Stücke und schob einen der Happen in den Mund. »Du interessierst dich für Salcheneggers Haus?«
    »Warum nicht?«, meinte Katharina. »Und wo ich doch jetzt so gut verdiene.« Wenn ihre
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