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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz
Autoren: Ines Eberl
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sondern eher etwas wie Frieden. Nur Trakl konnte dieser besonderen Stimmung gerecht werden.
    »Am Abend war der Himmel verhangen«, murmelte Bosch, »und durch den Hain voll Schweigen und Trauer, fuhr ein dunkelgoldener Schauer. Ferne Abendgeläute verklangen …«

NEUNZEHN
    Bosch trat auf die Pfeifergasse hinaus, zu deren beiden Seiten sich der frisch gefallene Schnee häufte. Die Hände tief in den Taschen seines Lammfellmantels vergraben, stapfte er in Richtung Mozartplatz. Schon vom Café Glockenspiel aus konnte er die ersten Holzbuden des Christkindlmarktes auf dem Residenzplatz sehen. Wie jedes Jahr sang der Kinderchor vor dem Dom das Lied von der Stillen Nacht. Ein verführerischer Duft nach Glühwein und frischem Gebäck lag in der Luft. Doch an diesem Abend widerstand Bosch den in Schmalz gebackenen Bauernkrapfen mit Sauerkraut und bog nach rechts in die Goldgasse ein.
    Zum Glück hatte es aufgehört zu schneien, und am dunklen Dezemberhimmel zeigten sich die ersten Sterne. Der Schnee dämpfte seine Schritte und hier, abseits des großen Platzes, schien die Stadt wie in tiefem Schlaf versunken. Die schmiedeeisernen Laternen beleuchteten menschenleere Gassen.
    Doch dann wurde die Stille von dem Geläut von Kuhglocken und dem blechernen Scheppern von Schellen durchbrochen. Schnell schaute Bosch sich um, aber schon bog eine Bande dunkler Gestalten um die Ecke zum Alten Markt. Rasch drückte er sich in den nächsten Torbogen und verbarg seine Leibesfülle, so gut es ging, in dessen Schatten. Gleich darauf zog die Horde, schwarze und weiße zottelige Gesellen mit geschnitzten roten Teufelsfratzen und langen Hörnern, an ihm vorbei. Um die Mitte trugen sie breite Gürtel, an denen Glocken hingen, die bei jedem ihrer stampfenden Schritte einen Höllenlärm machten. In den Händen hielten sie Ruten und Kuhschwänze, mit denen sie die frostige Luft peitschten.
    Der finstere Spuk zog so dicht an Bosch vorbei, dass er den keuchenden Atem der Männer unter den schweren Kostümen hören konnte. Es war der 5. Dezember, Krampustag. Noch drei Wochen bis Weihnachten, dann war der Spuk vorbei. Er trat aus dem Torbogen und sah den teuflischen Gestalten nach, die nun vor ihm Ruten schwingend auf den Christkindlmarkt zustürmten.
    Bosch setzte seinen Weg fort. Bald hörte er wieder nur noch das leise Knirschen des Schnees unter seinen Schuhen. Weihnachten. Bosch spürte ein Ziehen in der Brust. Wahrscheinlich war wieder seine übliche Feiertagserkältung im Anzug.
    Die Weihnachtskarte seiner Mutter lag bereits auf seinem Schreibtisch. Damit sie alle ehemaligen und zukünftigen Hotelgäste nur ja rechtzeitig in Händen hielten. Wie jedes Jahr war es eine geschmackvolle Aufnahme des tief verschneiten Enzianhofs, mit aufgedruckten frohen Weihnachtswünschen. Immerhin war die Karte mit einem handschriftlichen Gruß versehen. Aber wahrscheinlich bekamen Stammgäste den auch.
    Bosch bog in die Getreidegasse ein. Vor der »Goldenen Gams« klopfte er sich den Schnee von den Schuhen, ehe er die schwere Tür aufdrückte und die Treppe hinaufstieg. Oben im ersten Stock musste sich Bosch erst einmal die beschlagenen Brillengläser putzen. Dann entdeckte er den Maître de Salle. Er sprach mit einem Paar in Pelzmänteln. Als er Bosch bemerkte, winkte er sofort einen Kellner herbei, nickte den beiden noch schnell zu und kam zu Bosch herüber.
    »Herr Doktor, schön Sie mal wieder bei uns zu sehen.« Er lächelte warm und drückte Bosch die Hand, als wären sie alte Bekannte. »Frau Morstein hat gerade für Sie angerufen. Sie wird sich ein paar Minuten verspäten.« Er machte ein Zeichen. »Julia!«
    Ein junges Mädchen im grauen Kostüm, das an der Wand gestanden hatte, kam und nahm Bosch den Mantel ab, ehe ein Kellner ihm bedeutete, ihm zu folgen.
    Das Restaurant war voll besetzt. Alle Tische waren mit roten Kerzen und Tannengrün dekoriert. An einem Klavier an der Wand saß ein älterer Mann im Trachtenjanker und spielte leise klassische Musik. Der Kellner führte Bosch zu einem Tisch am Fenster, der für zwei Personen gedeckt war.
    »Vielleicht schon einen Aperitif, Herr Doktor?«, fragte er, als Bosch Platz genommen hatte. »Ein Glas Champagner, vielleicht? Oder ein Bier?«
    Aber Bosch beschloss, auf Katharina zu warten. Der Kellner trat vom Tisch an die mit rotem Samt bezogene Wand zurück. Bosch nahm die zu einem steifen Stern gefaltete Serviette und legte sie neben den silbernen Platzteller. Mitten auf dem Tisch brannte eine dicke
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