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Salzburger Totentanz

Salzburger Totentanz

Titel: Salzburger Totentanz
Autoren: Ines Eberl
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auf und nahm die Kunstblumen mit einem gezwungenen Lächeln entgegen. Nach den vielen Jahren, die sie nun schon am Institut zusammen arbeiteten, sollte Frau Happel eigentlich wissen, dass ihm jegliche Anteilnahme an seinem Privatleben unerwünscht war. Und was sollten diese imitierten Blumen, deren Anblick jeden, dem Kunst irgendetwas bedeutete, beleidigen musste?
    »Nur eine Kleinigkeit … Ich dachte, so ein Sträußerl würde sich nett machen hier …« Frau Happel sah sich um. »Vielleicht auf dem Aktenschrank da drüben. Unter dem Wiener Stich? Der ist eh so farblos.«
    Bosch brummte eine unverständliche Zustimmung und suchte einen Platz, um sich des Sträußchens zu entledigen. Auf seinem wohlgeordneten Schreibtisch stapelten sich die Bücher, mit denen er das kommende Wintersemester vorbereitete, griffbereit zu seiner Rechten, auf Kante ausgerichtet und nur die, die er gerade brauchte. Links von ihm lag sein Terminplaner aufgeschlagen neben dem Telefon und zeigte die letzte Juliwoche. Vor drei Wochen hatten die Semesterferien begonnen, deshalb waren die meisten Seiten fast leer. Darauf lag schreibbereit sein Füllfederhalter, natürlich mit Goldfeder und Kolben, und daneben das Tintenfass. Darauf legte er Wert, was seinem Chef nur recht war, der die Füllfeder ebenfalls benutzte. Direkt vor ihm befand sich das bunte Bild der thronenden Madonna mit Kind. Ein Blick auf den künstlich glitzernden Golddraht des Gewürzsträußchens reichte, und Bosch behielt die Kunstblumen in der Hand.
    Er murmelte ein paar höfliche Dankesworte und hoffte, dass damit die peinliche Situation beendet wäre. Aber die Happel erkundigte sich ohne Hemmungen nach seinen weiteren Plänen für den heutigen Tag. Er würde seinen achtunddreißigsten Geburtstag doch wohl noch etwas feiern? Vielleicht käme ja auch die Frau Mutter extra nach Salzburg?
    »Wahrscheinlich«, log Bosch.
    Seine Mutter hatte ihn schon früh bei der Großmutter zurückgelassen, um einen gut situierten Hotelier am Arlberg zu ehelichen. Zu Hause würde Bosch nur die alljährliche Geburtstagskarte mit dem Emblem des »Enzianhofes« vorfinden, fünf halbmondförmig angeordneten Enzianen, sowie die gönnerhafte Einladung seines Stiefvaters, doch wieder einmal ein paar Tage im Kreise der Familie zu verbringen. Wobei es sich natürlich gut traf, dass sein Geburtstag im Sommer lag. In der Wintersaison konnte man in Lech kein Bett entbehren. Aber er hatte ohnehin nicht vor, Gebrauch von dieser Einladung zu machen.
    »Und?« Frau Happel kannte keine Gnade. »Aha! Ich seh’s Ihnen direkt an. Aber mir brauchen S’ nichts zu sagen, ich weiß, wie lästig das ist. Heuer kommt mein Schwager mit der ganzen Familie aus Wien.«
    Langsam verlor Bosch die Geduld. Jeder im Institut wusste von seiner kleinen Zweizimmerwohnung im dritten Stock eines Altstadthauses am Papagenoplatz. Nur über eine enge, ausgetretene Stiege zu erreichen, mit niedrigen Räumen und dicken, unebenen Wänden. Für Besuch war darin kein Platz.
    »Na ja«, sagte die Happel, räusperte sich und schien endlich aufzugeben. »Ich bringe Ihnen jedenfalls noch eine Vase für das …«
    In diesem Augenblick läutete das Telefon.
    Sie hob die fein gezupften Augenbrauen und griff blitzschnell nach dem Apparat auf Boschs Schreibtisch.
    »Kunstgeschichte, Happel? … Ach, Fräulein Salchenegger … Ja, ja, ich wollte mich gerade bei Doktor Bosch erkundigen, wann Ihr Herr Vater heute … Aha, nicht … Was ? … Im Krankenhaus? … Gestern Abend? … Ja, warum … Wie bitte? … Was?!  …« Sie setzte sich auf die Schreibtischkante, während sie krampfhaft den Hörer ans Ohr presste. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. »Oh, mein Gott, nein.«
    Bosch machte Handzeichen, um den Hörer zu bekommen, aber Frau Happel schaute mit starrem Blick aus dem Fenster, wo die helle Marmorfassade des Nachbarhauses die Sonnenstrahlen reflektierte. Dann legte sie mit einem mechanischen Kopfnicken den Hörer langsam auf die Gabel und sah Bosch mit bleicher Miene an.
    »Seine Tochter«, sagte sie leise.
    »Das ist mir klar.« Bosch wedelte ungeduldig mit den Seidenblumen, die er noch immer in der Hand hielt. »Und? Was wollte sie? Was ist mit dem Krankenhaus?«
    »Unser … unser Herr Professor selig …«
    »Wie bitte?« Bosch starrte sie an.
    Frau Happel holte tief Luft. »Unser Herr Professor ist heute … heute Morgen … verschieden.«
    »Verschieden? Wie meinen Sie das – verschieden?«
    »Na, was schon?«, sagte Frau
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