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Tanz des Lebens

Tanz des Lebens

Titel: Tanz des Lebens
Autoren: Bianca Balcaen
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    Abschied ohne Tränen
     
    A uf dem letzten Treppenabsatz stolperte Faye. Der schwere Reisekoffer glitt aus ihrer Hand, krachte auf ihren Fuß und fiel danach polternd die Stufen hinunter, bis er mit einem dumpfen Aufprall vor der Küchentür liegenblieb. Ein unheilschwangeres Echo in Form eines kreischenden Maunzens folgte. Pompea, die schreckhafte Katze, schlitterte in rasantem Tempo über die italienischen Terrakottafliesen auf die gegenüberliegende auberginenfarbene Wand zu.
    Dabei ragte ihr Schwanz steil in die Höhe und das silbrig schimmernde Fell der Siamkatze war nach allen Seiten aufgerichtet, als hätte sie einen Stromschlag erhalten. Mit einem Hechtsprung warf Faye sich dazwischen, erwischte mit einem beherzten Griff den Schwanz und zog Pompea gerade noch rechtzeitig nach rechts weg, bevor sie selbst gegen die Wand krachte.
    Nachdem das Pochen in Fayes Kopf etwas abgeklungen war, fiel ihr schuldbewusst das überaus labile Nervenkostüm von Moms Liebling ein, weshalb beide schon seit Jahren einen Katzen-Psychiater konsultierten. Die folgende Sitzung würde sich zweifelsohne lohnen, da war Faye sich bei einem Blick in Pompeas weit aufgerissene babyblaue Augen bombensicher.
    Mit einem entschuldigenden »Tut mir leid« rappelte sie sich vom Boden auf. Anschließend schleifte sie den Koffer über den akkurat gemähten englischen Zierrasen und lud ihn schwer ächzend in den Kofferraum von Violets rotem Aston Martin. Faye hatte nur einen einzigen Koffer für das ganze Englandjahr gehabt. Ihre Sommersachen hatte sie wohlweißlich in ihrem Kleiderschrank in Monterey gelassen. Mit einem letzten Blick zurück aufs Haus, schmiss Faye mit einer erleichterten Handbewegung die Kofferraumhaube zu.
    Als sie die Beifahrertür öffnete und sich aufatmend in den Sitz gleiten ließ, saß ihre Mutter schon startbereit im Auto und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Lenkrad. Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit lenkte Violet Hamilton kurz darauf den Sportwagen über die Landstraße und starrte dabei pikiert auf Fayes kurzärmlige, hellblaue Folklorebluse: »Wo ist deine Jacke? Wähnst du dich etwa schon bei deinem Vater im sonnenüberfluteten Kalifornien?«
    »Äaah … nein«, log Faye und betrachtete ihre exzentrische Mutter aus den Augenwinkeln. Violets gelblackierten Nägel waren perfekt auf ihr limonenfarbenes Seidenkleid samt zugehörigem Seidenschal abgestimmt. Doch heute verspürte Faye nicht die geringste Lust, mit ihrer Mutter zu streiten. Dieser Montagmorgen war ihr letzter Tag in Sandwich gewesen. Damit war der Deal, den sie vor 365 Tagen mit ihr geschlossen hatte, abgelaufen. Heute hatte sie auf den Tag genau ein nicht enden wollendes Jahr in einer englischen Stadt, die genauso einen komischen Namen wie sie selber trug, verbracht – und es überstanden.
    Faye fand das eine ziemlich beachtliche Leistung. Erleichtert lehnte sie sich auf dem Beifahrersitz zurück und dachte an die Vergangenheit zurück, als sie noch eine Familie waren. Den Umstand, dass sie in Burma und nicht in Kalifornien geboren war, verdankte sie der Berufswahl ihrer Eltern. Bei Fayes Geburtsberechnung war ihrer sonst so perfekten Mutter ein kleiner Fehler unterlaufen, was ziemlich eindeutig Fayes zweiter burmesischer Pass bewies. Doch die straffe Organisation ihrer gesamten Kindheit im kalifornischen Monterey hatte die Ausmaße eines militärischen Strategieplans im Kriegszustand besessen.
    Waren ihre Eltern in der Welt unterwegs, kümmerten sich ständig wechselnde Kindermädchen um sie. Seitdem beherrschte Faye die verschiedenen Dialekte der südamerikanischen Länder und konnte sie in Perfektion nachahmen. Später erfuhr sie durch die oft lautstarken Streitereien ihrer Mutter, dass man eine erneute Schwangerschaft auch einen unsäglichen Unfall nennen konnte. Neun Monate später kam Luke auf die Welt – und wurde von der ersten Sekunde an die Liebe ihres Lebens.
    Seit seiner Geburt war er durch einen Gendefekt blind. Ihr Vater nahm sich eine zweijährige Auszeit und bemühte sich, mir der neuen Situation klarzukommen; Violet hingegen war sofort wieder auf neue Abenteuerreisen gegangen. Aber Faye hatte sich in das kleine Würmchen verliebt und sich trotz zahlreicher Kindermädchen selber rührend um ihr Brüderchen gekümmert und einen wolfsartigen Beschützerinstinkt entwickelt.
    Luke dankte es ihr seit der ersten Stunde mit einer grenzenlosen Liebe und später hatte er sowas wie einen achten Sinn entwickelt, mit dem er blind
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