Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verhängnisvolle Experiment

Das verhängnisvolle Experiment

Titel: Das verhängnisvolle Experiment
Autoren: Klaus Frühauf
Vom Netzwerk:
1
     
    VAMOS YAHIRO, geboren in Sikotan, Schule, Mechanikerlehre, Studium am Institut für Eiltransporte in Magadan, Pilot für kleine Reisen, Testpilot, Absturz über Orechowka, Umfunktionierung zum Multihom, Berufung als Pilot der Känguruhexpedition.
     
    Er erwachte übergangslos ohne die Phase langsamer Bewußtseinsverdichtung, die ihm in seinem ersten Leben soviel Vergnügen bereitet hatte, die sich, wenn man nur gelernt hatte, sie aktiv zu erleben, als eine Quelle unvergleichlichen Genusses erweisen konnte. War es doch, als kehrte das Leben in eine leere Hülle zurück, anfangs nur zaghaft, doch dann immer schneller, bis es sie schließlich prall ausfüllte, bis es auch in die feinsten und fernsten Verästelungen reichte, bis man überquoll vor Freude zu existieren und bersten mochte vor Tatendrang.
    Dieses Erwachen hier war ganz anders, es war wie das einer Maschine, deren Hauptschalter in die Stellung »Ein« gebracht worden war. Dieses Erwachen war immer von dem Gefühl begleitet, etwas Fremdes hätte sich in das eigene Sein gemischt. Monate waren seit der Umfunktionierung vergangen, und noch immer hatte er dieser neuen Art, in das Leben zurückzukehren, keine guten Seiten abgewonnen.
    Einige Sekunden lang lag er still, lauschte auf das Geräusch des Vitalisators und blickte auf die Anzeige vor seinem Gesicht, auf dieses freundliche grüne Auge, das sein Erwachen beobachtete und jede Unregelmäßigkeit sofort registrieren und melden würde. Schließlich bewegte er die Arme, legte die Hände seitlich an den Körper, und wie stets in der letzten Zeit schockierte ihn das Gefühl, sich selbst als etwas Ungewöhnliches zu empfinden.
    Der Liquor war bereits abgepumpt, nur an den Wänden und auf seiner Haut ertastete Vamos Yahiro noch Reste von Feuchtigkeit. Seine Oberschenkel fühlten sich an wie grobporiges Holz, das lange Zeit im Wasser gelegen hat. Ein wenig ekelte ihn vor der glitschigen Kühle.
    Er richtete sich auf, das Pumpen des Vitalisators erstarb, und die grüne Anzeige schwenkte blitzschnell in eine flache Aussparung der Wand. Er legte die Hände auf den Rand der Kammer und schwang seinen massigen Körper aus der Mulde. Unter den fast schmerzhaft prickelnden Strahlen der Dusche fand er sein inneres Gleichgewicht annähernd zurück.
     
    Nach der ersten Mahlzeit, die wie stets nach dem Erwachen aus dem Tiefschlaf aus nicht mehr als zwei Konzentrattabletten bestand, ging er hinüber zum Kontrollsessel des Steuerservators und ließ sich in die weiche Konturenschale fallen. Einen Moment lang betrachtete er die feuchten Spuren, die seine Füße auf dem Kabinenboden hinterlassen hatten, halbmeterlange, gleichseitige Dreiecke, die wie die Trittsiegel eines gigantischen Frosches wirkten. Während die Spuren in der Wärme der Zentrale allmählich verschwanden, streckte er die Beine aus und stülpte den Helm über.
    Unvermittelt fühlte er sich in den das Schiff umgebenden Raum versetzt. Wie leuchtende Splitter tauchten Millionen von Sternen aus dem kosmischen Dunkel, backbord querab standen die beiden Sonnen, ein weißer Zwerg und ein hellgelber Riese. Es war ein Bild von ungeheuren Dimensionen und wunderbarer Klarheit. Noch nie vorher hatte er ähnliches gesehen, und dieser Anblick verursachte in ihm ein kaum zu beschreibendes Glücksgefühl. Nur zögernd nahm er den Helm ab. Dann stand er auf und widmete sich seinen ersten Aufgaben.
    Dem vorgeschriebenen Regime entsprechend, rief er das Protokoll der letzten Überprüfung ab. Die Kontrolle lag jetzt einhundertvierundvierzig Stunden zurück und war von Keeke Lannert durchgeführt worden. Die Aufzeichnung enthielt nichts Bemerkenswertes. Da waren der Vergleich der noch auf der Erde errechneten theoretischen mit der tatsächlichen Trajektorie, die Meßwerte der Außentemperaturen und der Teilchendichte, der relativen Helligkeit und des Isogravenpotentials. Und da waren die Herzfrequenzkurven der Menschen, die Angaben über Atemvolumen, Blutdurchsatz und Nährstoffkonzentration.
    Nirgends gab es Abweichungen, die seine Aufmerksamkeit verdient hätten, sämtliche Werte lagen innerhalb der Toleranzgrenzen. Eine einzige, winzige Besonderheit fiel ihm auf: Keeke Lannert hatte damals, vor einhundertvierundvierzig Stunden, länger an der Kammer Vanda Ricaneks verweilt, als es nach Lage der Dinge notwendig gewesen wäre. Keeke glaubte eine geringfügige Erhöhung der Herzfrequenz festgestellt zu haben, aber eine nochmalige Überprüfung hatte ergeben, daß Vandas
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher