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Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik
Autoren: Ralf H. Dorweiler
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nein. Ich bin Lutz Vollmer. Vom Arbeitsamt.«
    Â»Sie meinen, das Arbeitsamt hat Sie geschickt.«
    Â»Ja, sag ich doch. Ich brauche von Ihnen die Bestätigung, dass ich da war.« Lutz Vollmer begann, in einer Kunstledertasche zu kramen, die um seine Schulter hing, und zog ein an den Kanten stark abgestoßenes Formular heraus.
    Â»Vielleicht sollten Sie erst einmal hereinkommen«, schlug Schlaicher vor.
    Mit Lutz Vollmer betrat ein Duft die Wohnung, der Schlaicher klarmachte, dass Hose und Jacke genau wie der Mann darin eine Wäsche ziemlich dringend nötig hatten. Dr.atson blickte schläfrig aus seinem Körbchen auf, als sie an ihm vorbeigingen.
    Â»Ah, Sie haben einen Hund«, sagte Lutz Vollmer und folgte Schlaicher weiter in die Küche. »Wissen Sie, was für eine Rasse ein Deutschmexikaner züchtet, der bei der Bergwacht arbeitet?«
    Â»Hä?«
    Â»Einen Ski-Wauwau.«
    Als Schlaicher keine Reaktion zeigte, schob Lutz Vollmer nach: »Chihuahua, Sie verstehen? Ein Deutschmexikaner? Bei der Bergwacht? Mexikanische Hunderasse? Ski-Wauwau. Ist doch zum Brüllen, oder nicht?« Statt zu brüllen, brachte der Mann ein heftiges, nasal klingendes Kichern zustande.
    Schlaicher lächelte nur aus Gastfreundschaft. Wen hatte ihm sein Ansprechpartner vom Arbeitsamt da bloß geschickt?
    Â»Setzen Sie sich«, forderte er den immer noch kichernden Mann auf. Der war den Unterlagen zufolge dreiunddreißig Jahre alt, wirkte, am Standard seiner Witze gemessen, aber eher wie sechzehn.
    Â»Sie haben wohl keinen Humor, was?«, fragte Lutz Vollmer frech, als er sich auf die Bank setzte.
    Â»Und Sie haben es nicht so mit dezentem Verhalten, was?«, äffte Schlaicher ihn genervt nach.
    Â»Ach, ich bin so, wie ich bin. Sein oder Nichtsein, das ist keine Frage.« Er kicherte wieder. »Apropos Frage: Das hier ist Ihr Büro?«
    Â»Sozusagen. Warum interessieren Sie sich für eine Stelle als Testdieb?«
    Lutz Vollmer entdeckte bei seinem Rundblick durch die Küche Schlaichers Cafetière, die auf der Arbeitsplatte stand. »Oh, was ist das denn für eine Kaffeemaschine? Ach so, zum Runterdrücken. Ist so was teuer?«
    Â»Nein. Aber ich habe Ihnen eben eine Frage gestellt«, erinnerte Schlaicher ihn.
    Â»Ach so. Ja, sagen wir mal: Ich komme mit meinem Leben ziemlich gut zurecht. Jeden Monat bekomme ich pünktlich mein Hartz  IV , und große Ansprüche habe ich nicht.«
    Â»Sie wollen also gar keinen Job«, bemerkte Schlaicher. »Sehe ich das richtig?«
    Lutz Vollmer nickte ihm anerkennend zu und sagte: »Zu leben ist Arbeit genug, sage ich immer. Ich bin Verfechter der Theorie des bedingungslosen Grundeinkommens.« Damit kramte er erneut das Formular hervor, auf dem Schlaicher bestätigen sollte, dass er zum Vorstellungsgespräch gekommen war.
    Â»Ist eine reine Formalität. Ich muss nachweisen, dass ich meiner Mitwirkungspflicht nachkomme.«
    Schlaicher ließ den Zettel vor sich auf dem Tisch liegen. Dieser Typ war unter normalen Umständen so ziemlich der Letzte, dem er einen Job geben würde, selbst wenn er ihn auf Knien darum anflehen würde. Allerdings hatte Schlaicher den Auftrag erhalten, mit zwei Personen die »Ladies Night« bei Karstadt zu betreuen. Der ausschließlich Frauen vorbehaltene Abend im Lörracher Kaufhaus fand blöderweise schon morgen statt – und Schlaicher hatte noch nicht die dringend benötigte zweite Person, die Voraussetzung dafür gewesen war, den Auftrag zu ergattern.
    Eigentlich beschäftigte sich Schlaichers kleine Agentur mit Testdiebstählen. Im Auftrag der Geschäftsführung klaute er alles, was nicht niet- und nagelfest war, und zeigte im Anschluss Wege auf, solche Verluste zu minimieren. Diesmal jedoch ging es um viel mehr. Schlaichers Besuch in Frankfurt hatte neben dem väterlichen Drang, am Leben seines dort wohnenden Sohnes Lars teilzunehmen, auch eine geschäftliche Komponente gehabt. Zusammen mit ein paar Freunden entwickelte Lars neben der Schule Computerprogramme. Sie hatten eine alte Idee von Schlaicher aufgegriffen und die Software für ein automatisiertes Videoüberwachungssystem geschrieben, das er konzipiert hatte. Die Ladies Night war für Schlaicher die ideale Gelegenheit, die Funktionsweise des Systems in der Praxis zu überprüfen. Manuel Gampp, der Geschäftsführer des Lörracher Karstadt, hatte sich von der
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