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Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik
Autoren: Ralf H. Dorweiler
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genau die fand er auch, als er auflegte, aufstand und Schlaicher mit einem kurzen Händedruck über den Schreibtisch hinweg begrüßte.
    Â»Ich habe nicht erwartet, Sie heute allein zu sehen«, sagte er kühl.
    Â»Ja, ich weiß.« Schlaicher hatte sich auf der Fahrt verschiedene Ausreden durch den Kopf gehen lassen. Irgendwie fiel ihm jetzt aber nur eine einzige ein: »Mein Mitarbeiter hat sich leider gestern beim Joggen ein Bein gebrochen. Er liegt im Krankenhaus.«
    Schlaicher sah Gampp an, dass der ihm das nicht abnahm. Aber jetzt war es gesagt, und Gampp blieb sachlich genug, um seine Zweifel nicht offen auszusprechen.
    Â»Ich suche bereits nach einem Ersatz«, legte Schlaicher nach, »und hoffe, bis heute Abend jemanden gefunden zu haben, der mich unterstützt. Es tut mir leid, aber mit einem gebrochenen Bein kann ich meinen Mitarbeiter nicht herbeordern. Sie haben dafür sicher Verständnis.«
    In dem Moment klopfte es an der Tür, die sich direkt danach öffnete. Schlaicher drehte sich geschockt um, als er die Stimme erkannte.
    Â»Guten Tag. Mein Name ist Lutz Vollmer. Ah, hallo, Chef. Tut mir leid, dass ich zu spät bin.«
    Gampps Blick musterte Lutz Vollmer, suchte wohl vergeblich nach einem Gips und verfinsterte sich. »Ich dachte, sie hätten mir gerade eben erzählt, er habe sich ein Bein gebrochen«, sagte er lauernd zu Schlaicher.
    Alles drehte sich. Schlaichers Magen verkrampfte, und ihm war klar, dass der peinlichste Moment seines Lebens bevorstand. Hinzu kam, dass Lutz Vollmer zwar andere Kleidung trug als gestern, auf dem T-Shirt aber auch heute einen Spruch stehen hatte, den weder er noch Gampp gutheißen konnte: »Mach dich nacho!«
    Er wollte gerade den Mund öffnen, um etwas zu sagen, als Lutz Vollmer schon losredete: »Chef, da müssen Sie am Telefon etwas falsch verstanden haben. Ich habe nie gesagt, dass ich mir ein Bein gebrochen habe, sondern ich habe gestern Abend zu viel am Wein gerochen . Mit anderen Worten: zu tief ins Glas geschaut, einen über den Durst getrunken, mir die Kante gegeben … Sie verstehen schon. Darum habe ich heute etwas verschlafen und bin zu spät. Ich garantiere Ihnen, dass das nicht noch einmal vorkommt, und es tut mir sehr leid. Wirklich.«
    Schlaicher hielt vor Scham beide Hände vors Gesicht. Lutz Vollmer setzte sich unterdessen ohne Aufforderung auf den Platz neben ihm. Schlaicher schaute hoch und konnte sehen, wie die Wut in Gampp hochkochte. »Ich dachte, es wäre beim Joggen passiert, Schlaicher?«, fragte er aggressiv.
    Lutz Vollmer legte sofort nach. »Nein, nicht beim Joggen . Äh …« Er überlegte eine halbe Sekunde und rief: »Beim Rocken !« Er grinste frech. »Ich spiele in einer Rockband, und da haben wir gestern zu viel …«
    Â»Still«, fauchte Schlaicher.
    Gampp stand fast bedächtig auf. Umso heftiger kam ein einziges Wort aus seinem Mund: »Raus!« Dabei warf er seinen Arm mit solcher Wucht in Richtung Tür, dass Schlaicher befürchtete, er könnte vom vor Wut bebenden Körper abreißen.
    Lutz Vollmer und er standen beide innerhalb von Sekundenbruchteilen stramm.
    Â»Sie nicht, Schlaicher. Sie bleiben hier. Aber Sie verschwinden umgehend aus meinem Büro!«
    Lutz Vollmer trabte hinaus, und Schlaicher ließ sich erschöpft in den Stuhl fallen.
    Â»Es tut mir leid«, sagte er, als die Tür wieder zu war.
    Gampp nahm das kaum wahr, geschweige denn als Anlass zur Beruhigung. Er stapfte aufgebracht von einer Seite des Büros zur anderen. Schließlich umrundete er den Schreibtisch und baute sich vor Schlaicher auf.
    Â»Was würden Sie an meiner Stelle machen?«
    Schlaicher schluckte nur.
    Â»Richtig«, brüllte Gampp. »Feuern sollte ich Sie. Was fällt Ihnen ein, mich so dermaßen anzulügen, und dann auch noch diese blöden Kommentare von Ihrem, Ihrem …«
    Â»â€¦Â Mitarbeiter«, vervollständigte Schlaicher kleinlaut.
    Â»Unterbrechen Sie mich nicht. Ich bin stinksauer. Sie haben mir gesagt, dass der Testlauf mit den Kameras kein Reinfall wird. Dass sie uns unterstützen heute Abend und einen zweiten Mann haben, der den Rest professionell übernehmen kann. Und was ist jetzt?« Schlaicher wusste nicht, was er sagen konnte, aber Gampp war auch noch nicht fertig: »Wie soll ich jemandem vertrauen, der mich so anlügt? Ich habe mich ganz oben, ja ganz
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