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Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik
Autoren: Ralf H. Dorweiler
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dessen Gesicht als einziges im Raum absolut glatt rasiert war. Mario vermutete, dass er sich auch die Augenbrauen zupfte, die schmal wie die eines Mädchens waren, während man die seines Onkels einem Bartlosen als Schnurrbart hätte implantieren können.
    Â»Gut und schlecht? Warum, Irfan?«
    Â»Wenn der falsche Besitzer die Sucuk probiert, gibt es keinen Hinweis auf uns. Das ist gut. Schlecht ist, dass er ihn nicht kontaktieren kann, um die Koffer zurückzutauschen.« Er sagte das mit einem abfälligen Tonfall und zeigte dabei auf Mario. Der kam sich vor wie ein Hund, der gerade auf den Teppich gemacht hat. Im selben Moment ging ihm auf, dass das in gewisser Weise ja auch stimmte.
    Â»Irfan, aus dir spricht wie immer die Weisheit deines Vaters. Ich möchte, dass du zusammen mit dem Jungen meine Sucuk findest.« Mario sah ein leichtes Zucken im Augenwinkel des schicken Irfan. Umut nahm das entweder nicht wahr, oder es war ihm egal. Er sagte: »Du, Junge.« Sein Blick fixierte Mario, und aus seinem Tonfall wich jegliche Freundlichkeit. »Ich glaube dir, dass du nicht so dumm bist, mir absichtlich einen falschen Koffer zu bringen. Darum gebe ich dir drei Tage Zeit, um den richtigen zu beschaffen. Dann will ich hier meine Sucuk liegen haben.« Er sah seinen Neffen an. »Irfan, mein Neffe, Blut meines Blutes. Ich weiß, dass es dir nicht recht ist, aber ich bitte dich als Onkel. Wenn der Kleine Ärger macht, leg ihn um.«
    Mario spürte, wie sein Blut den Kopf verließ.
    Umut legte eine abgestempelte Wochenkarte des Rhein-Main-Verkehrsverbundes und einen zerknitterten Zettel neben Marios Teeglas. »Hier. Den Fahrschein haben wir in einer Seitentasche des Koffers gefunden. Der Zettel steckte in einer der Hosentaschen.«
    Mario nahm zuerst das Ticket, das bis zum heutigen Mittwoch gültig war. Nach dem kurzen Blick legte er es zurück. Dann entfaltete er den Zettel und las. Dort stand: »Karten an Harry Mbene, Schönauer Straße 8, 79   669 Zell im Wiesental, Hilde Wiesenkamp und Alfons Mezger, Seniorenoase, 79   650 Schopfheim, Hanspeter Schlageter, Hermann-Albrecht-Straße 12, 79   540 Lörrach«.
    Der nächste Name war nur angefangen, dann aber durchgestrichen worden: »Mart«.
    Â»Das ist ja alles bei mir in der Nähe«, sagte Mario überrascht.
    * * *
    Dr. Watson sprang an seinem Herrchen hoch und warf ihn mit seinem Gewicht fast um. Rainer Maria Schlaicher stellte den Koffer auf den Boden, setzte den kleinen Rucksack ab und kniete sich neben den laut bellenden Basset Hound, der wedelte, als hinge sein Leben davon ab. Schnell fand Schlaicher die Stelle an Dr. Watsons labberigem Hals und kraulte den Hund so, dass er vor Vergnügen still wurde, sich setzte und sein linkes Hinterbein in schnellem Takt auf den Boden schlug.
    Â»Ja, do ischer jo«, sagte die ebenfalls erfreut klingende Stimme von Erwin Trefzer, Schlaichers Nachbarn, der die vergangenen Tage auf den Basset aufgepasst und ihn gemeinsam mit Dr. Watson in Schlaichers Wohnung erwartet hatte.
    Â»Hallo, Erwin, na, alles klar?«
    Â»Un, wiä isch d’Reis gsii? Gohd’s gued?«
    Dr. Watson bellte wieder, um weitere Streicheleinheiten einzufordern. Schlaicher blieb also auf dem Boden hocken und setzte die Begrüßung fort, wobei er zu Trefzer hochschaute.
    Â»Bestens. Und hier?«
    Â»He jo. Mainsch, mir chömme die baar Daag ohni dii nidd us?«
    Schlaicher stellte verwundert fest, dass Trefzer richtiggehend seriös aussah. Die Jeans, die um seine dürren Beine schlackerte, schien neu zu sein. Dazu trug er ein schwarzes Hemd über seiner Wampe, das ausnahmsweise in der richtigen Größe gekauft worden war und ordentlich in der Hose steckte. Nur die Schuhe passten nicht ganz in das Bild. Rote Sportschuhe, auf denen in weißen Lettern der Schriftzug »Puhma« prangte. Über all dem schwebte zudem eine Neuerung, an die sich Schlaicher gar nicht richtig gewöhnen konnte: der mittlerweile einige Zentimeter lange dichte graue Vollbart, der das Gesicht seines Nachbarn umrahmte.
    Â»Das hädd i im Lääbe nidd dänggd, dass soone Bus in dr Zidd chunnd«, meinte Trefzer.
    Â»Doch, doch, alles super gelaufen. Diese Fernbusse sind echt eine gute Alternative. So günstig kannst du mit dem Auto gar nicht nach Frankfurt und zurück kommen«, befand Schlaicher, als er aufstand und sich in Richtung
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