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Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik
Autoren: Ralf H. Dorweiler
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von der Statur eines Riesendöners hinter der Theke, der Mario gelangweilt anschaute. Der sich automatisch drehende Fleischspieß sah schon fast zu knusprig aus, in der gläsernen Vitrine hatte man Edelstahlbehälter mit Salat, Rotkohl, Zwiebeln und Tomaten nebeneinander aufgereiht. Plastikfigürchen auf der Ablage, grünstichige Fotos der Gerichte und ein paar wackelige Plastikstehtische komplettierten das Bild.
    Â»Döner?«
    Â»Ã„h, nein. Ich bin mit Jussef verabredet. Genau.«
    Der Mann musterte Mario von oben bis unten und zurück, nickte und zeigte schläfrig auf eine unscheinbare Tür, die weiter nach hinten führte. Der dahinterliegende, nur zwei Meter lange Flur wurde von einer nackten Neonröhre bestrahlt. Zwei Türen gingen davon ab. An der einen war ein Toilettensymbol angenagelt, auf der anderen stand »Privat«. Letztere hatte statt eines Türgriffes nur einen Knauf. Mario klopfte und blickte auf den Türspion, damit ihn Jussef auch gut sehen konnte. Bei seinem letzten Besuch hatte er sich fast in die Hose gemacht. Dieses Mal war er viel cooler und wartete, bis er den Riegel hörte und die Tür nach innen aufschwang.
    Alles sah noch aus wie neulich. Die Hälfte des hell gefliesten Bodens war mit einem großen, orientalischen Fransenteppich ausgelegt. Links stand ein Schreibtisch, rechts ein niedriges Sofa vor einem noch flacheren Tisch. Zwei junge Männer blieben bei seinem Eintreten ungerührt dort sitzen und zogen an einer bunten Wasserpfeife. Der nach Vanille riechende Rauch zog durch ein gekipptes Gitterfenster auf den Hinterhof ab.
    Jussef hatte persönlich geöffnet. Seine untersetzte Gestalt bewegte sich langsamer, als ein Mann um die fünfzig es normalerweise tat. Er verschloss die Tür hinter Mario und schlurfte zurück zum Schreibtisch. Ein kleiner Laptop und ein Telefon mit speckig glänzendem Hörer standen darauf. Außerdem diente die Arbeitsplatte als Ablage für türkische Zeitungen, einen Stapel Papiere, ein paar Stifte und einen goldfarbenen Plastik-Bilderrahmen. Jussef blieb am Rand des Tischs stehen und schaute Mario prüfend an. Sein Blick aus dunklen Augen hatte durch die tiefgrauen Augenringe etwas Bedrohliches an sich.
    Â»Alles in Ordnung oder was?«, fragte er mit einer für seine Statur zu hell wirkenden Stimme, die sich unter dem dichten schwarzen Schnurrbart hervorquälte.
    Â»Ja, alles bestens. Genau«, erwiderte Mario und stellte den Koffer zwischen ihnen beiden ab. Jussef nahm ihn hoch und wuchtete ihn auf die Zeitungen auf dem Tisch. Er betätigte die Drücker am Schloss, aber nichts tat sich.
    Â»Die Kombination«, forderte Jussef.
    Â»123456«, antwortete Mario.
    Â»So bekommt doch jeder das Ding auf. Bist du dumm oder was?«
    Mario reagierte nicht darauf, sondern wartete ab, bis Jussef die Zahlenkombination eingestellt hatte. Nichts passierte.
    Â»Was soll das?« Die helle Stimme hätte sich lustig angehört, wenn nicht eine unterschwellige Drohung in der Frage gesteckt hätte.
    Â»Moment, lass mich mal.« Mario überprüfte die Ziffern. Sie stimmten. »Genau.« Er betätigte die Schlösser, aber auch er hatte keinen Erfolg. Ȁh …«
    Â»Willst du Jussef verarschen oder was?«
    Mario wunderte sich, wie die beiden anderen so schnell vom Sofa an seine Seite gekommen waren. Einer von ihnen hielt ein Springmesser in der Hand, wie Mario aus dem Augenwinkel sah.
    Â»Hey, nein. Da hat sich wohl irgendetwas verhakt. Ich versuche es noch mal.«
    Jussefs Blick durchbohrte ihn fast. Es war heiß im Zimmer. Mario spürte seine Hände zittern, als er erneut die Schlösser betätigte. Als das Klicken ausblieb, trat ihm jemand in die Kniekehlen. Mario sackte nach vorn, und noch bevor er mit den Knien schmerzhaft auf dem Boden auftraf, hielt ihn einer der beiden jungen Typen mit dem Arm um seinen Hals fest. Der mit dem Messer fuchtelte damit vor seinem Gesicht herum. Mario starrte ungläubig auf die Klinge.
    Â»Gibt es hier ein Problem?«, fragte eine Männerstimme.
    Das Messer verharrte von einem Moment auf den anderen regungslos vor Marios rechtem Auge.
    Â»Babacıgım« , hörte er Jussef unterwürfig sagen. Es folgte ein bedrohlich klingendes Gespräch auf Türkisch. Mario verstand kein Wort. Dafür verschwand zu seiner großen Erleichterung das Messer. Doch die war sehr schnell wieder passé, als er
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