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Saigon - Berlin Thriller

Titel: Saigon - Berlin Thriller
Autoren: Hef Buthe
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Sie meine Papiere sehen?«
    Phong wurde nervös. Nervös wie alle jungen Vietnamesen, die ich leidvoll kennengelernt hatte, wenn sie mit einer Langnase zusammenprallten. Ihnen steckte das Leid aller Okkupationen ihres Landes über Jahrhunderte in den Erbanlagen. Demut. Gehorsam. So hatten sie sich ihr Land durch Verweigerung zurückerobert. Wenn es nicht anders gegangen war, dann durch Maulwurftaktik. Tief unter der Erde ihrer Heimat.
    Es krachte und klirrte. Olga schrie auf. Phong lief in den Imbiss, ich folgte ihm. Jupp hatte es mithilfe seiner betrunkenen Kumpanen fertig gebracht, den Stehtisch umzulegen. Wie eine zappelnde Schildkröte lag er auf dem Rücken und erbrach die von mir teuer bezahlten Bratwürste.
    »So eine Scheiße«, fluchte Olga. »Der hat um drei Uhr Dienst. Könnt ihr starken Männer mir nicht helfen, den Kerl ins Bett zu schleifen?« Der Blick der nicht mehr jungen Frau war flehend und meine Zeit knapp. Was war wichtiger? Ich oder er?
    »Ist nicht das erste Mal. Wir tragen ihn hoch. Zweiter Stock«, kommentierte Phong und nahm die Beine von Jupp wie die Griffe einer Schubkarre, die gezogen wurde. Da niemand anderer Anstalt machte zu helfen, nahm ich den schwereren Rest. Vielleicht hatte ich dafür ja mit Phong einen Zugang zu etwas gefunden, das mir helfen oder zumindest eine Ahnung geben konnte, wo ich nach meiner Tochter zu suchen hatte.
    »Steckt den besoffenen Kerl in die Badewanne«, kommentierte Olga. »Der versaut mir sonst alles. Und außerdem muss ich ihn zum Dienstbeginn nüchtern kriegen.« Sie putzte und räumte weiter auf. Die anderen Saufkumpane halfen sich gegenseitig hoch.
    »Ja, schon gut. Mal wieder alles auf eure Deckel ... und meine Knochen. Herrgott, wie kann man nur so viel saufen! Und alles für diese wertlose Ostmark!«, schimpfte sie hinter dem torkelnden Haufen her, der bei dem Schneetreiben einen Geruchssinn wie ein Hund haben musste, um nach Hause zu finden.
    Phong hatte gut gedacht. Er hatte die Beine genommen, ich trug den Rest von Jupp. Er ging voran. Ich hatte treppauf das gesamte Gewicht eines betrunkenen Grenzers zu schleppen. Er stank nach Alkohol, Erbrochenem und nach fehlender Reinlichkeit im Allgemeinen.
    »Was studieren Sie?«, keuchte ich, als ich mich mit dem Teil meiner Last die Stufen hinaufmühte.
    »Was wohl? Deutsch. Sonst müssten wir uns in einem komischen Kauderwelsch unterhalten«, kam es knapp zurück. »Und Maschinenbau«, ergänzte Phong. Wir hievten den schnarchenden Jupp in die nächste Etage. Der Hausgang müffelte genauso wie der Kerl in meinen Armen.
    »Kennen Sie vietnamesische Mädchen, die hier auch studieren?« Langsam wurde mir Jupp zu schwer. Ich legte meinen Teil von ihm auf dem Treppenansatz ab. Nun zog das gesamte Gewicht an Phongs Schubkarrengriff. Er ließ die Beine fallen und drehte sich um. Stützte sich am Handlauf ab.
    »Was soll das heißen, ob ich Vietnamesinnen kenne?«
    Da war er wieder dieser Hass, den ich so oft hatte spüren müssen. Der Hass auf jeden, der dieses Volk versucht hatte zu unterdrücken und auszubeuten. Sie waren stolz. Und je mehr man sie in die Enge trieb, umso gefährlicher wurden sie. Wie hatte ein Kollege gesagt: Treibe nie eine Horde Ratten wie die Vietcong in die Enge. Sie sterben sogar für einen einzigen Biss, den sie dir vorher noch zufügen können. Und sie beißen verdammt schnell zu.
    »Ich suche meine Tochter. Sie ist Halbvietnamesin und muss hier in Berlin sein.«
    Phong pfiff durch die Zähne. Setzte sich auf die Stufen und zündete eine Zigarette an. Jupp schnarchte in der unbequemen Position, in der wir ihn abgelegt hatten.
    »Daher sprichst du Mekong-Dialekt. Du warst in Vietnam? Wann?«
    »Dezember '8 bis Juli 70.«
    Phong biss sich auf die Unterlippe. Er rang mit sich. Aber das sah ein Europäer nicht, wenn er diese Mentalität nicht kannte.
    »Dann könntest du meinen Vater getötet haben. Warum sollte ich dir nun helfen?«
    Wieder Hass. So kam ich nicht weiter. Es war keine gute Idee von mir gewesen, mich als Kriegsveteran zu erkennen gegeben zu haben. Ich hätte es besser wissen müssen.
    Jupp drehte sich auf die Seite und rutschte ein paar Stufen ab. Erbrach sich erneut.
    »Können wir den erst in der Badewanne deponieren und dann weiterreden?«
    Phong nickte unmerklich und nahm den ganzen Grenzer gekonnt über die Schulter. So, wie ein Soldat einen verwundeten Kameraden aus der Kampflinie schleppte und ihn gleichzeitig als Kugelfang benutzte. Der zierliche Vietnamese
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