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Saigon - Berlin Thriller

Titel: Saigon - Berlin Thriller
Autoren: Hef Buthe
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Tochter«, sagte ich schroff. »Die muss hier irgendwo in Ostberlin stecken.« Nun war es heraus. Jetzt war es an mir ein Zigarillo anzustecken. Ich hielt Steiger einladend die Packung hin. Er nahm eins, roch daran, nickte und steckte es in die Hemdtasche.
    »Ihre Tochter? Es hat wohl keinen Sinn zu fragen, wo die wohnt, wenn Sie selbst sie schon suchen. Oder?«
    Nein. Das hatte überhaupt keinen Sinn. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo ich anfangen sollte. Nur dass sie hier in dieser Stadt in Schwierigkeiten steckte war alles, was mir der anonyme Anrufer vor Tagen mitgeteilt hatte. Woher er das wusste und wie er an meine Telefonnummer im Verlag gekommen war, war mir schleierhaft. Er hatte keine meiner Fragen beantwortet. Nur gesagt, wenn ich sie lebend wiedersehen wollte, solle ich um genau diese Zeit den Grenzübergang Bornholmer Straße nehmen und mein Autotelefon eingeschaltet lassen. Den Fahrzeugtyp, den ich anmieten sollte, hatte er vorgegeben. Mercedes S-Klasse. Farbe: grünmetallic.
    »Da sind Sie allerdings hier falsch. Für entlaufene Kinder sind wir nicht zuständig«, meinte der Wachtmeister lächelnd. Es sah fast verständnisvoll aus. Seine Kollegen grinsten verschwörerisch.
    »Ich schreibe Ihnen auf, wohin Sie sich wenden müssen. Dann können Sie passieren.«
    Mit einem Bleistift kritzelte er etwas auf einen Zettel und steckte ihn in meinen Pass.
    »Gute Fahrt und viel Glück«, hatte er mir noch nachgerufen.
    Jetzt schneite es in dicken Flocken.
    »Sie müssen noch ein starkes Vertrauen in die Obrigkeit haben«, bemerkte ein weiterer Grenzer, der unter dem Vordach des Gebäudes Schutz gesucht hatte.
    »Warum?« Ich drehte mich um. Ging die paar Schritte zurück und schlug den Mantelkragen hoch.
    Der junge Mann trat von einem Bein auf das andere. Es war kalt geworden.
    Er grinste, wie nur ein Wissender mit Hintergedanken grinste. Das kannte ich aus meiner Vergangenheit.
    »Was kostet denn so 'ne teure Telefonzelle der S-Klasse, in der es dauernd piept? Fünfzigtausend? Hunderttausend ... Westmark?«
    Woher sollte ich das wissen? Es war ein Leihwagen. In diesen Preiskategorien bewegte ich mich freiwillig nicht.
    »Im Sperrgebiet geht das ja noch, dass man den Wagen nicht abschließt und den Zündschlüssel stecken lässt. Aber außerhalb würde ich mich das nicht trauen. Wir haben uns eine Menge Gesindel eingefangen, die nicht lange fackeln. Dann ist Ihr Luxuswagen weg.«
    »Aha, und danke für den Rat«, knurrte ich und wandte mich zum Gehen.
    »Achten Sie auf die Schlitzaugen. Die klauen Ihnen den Mantel, ohne dass Sie es merken. Dann sind Sie nämlich schon tot ...«, rief er mir nach. Dann fiel die Autotür ins Schloss, und die Wagenheizung setzte ein.
    Raus hier aus diesem Wahnsinn! Einen anderen Wunsch hatte ich nicht.
    Je weiter ich in die Stadt nach Osten kam, umso kürzer wurde der Balken im Telefondisplay, der die Stärke der Verbindung anzeigte, und schließlich gab er ganz den Geist auf. Das war es dann wohl. Ich war abgeschnitten vom Rest der Welt. Nur noch auf einen vagen Hinweis auf die Existenz meiner Tochter angewiesen. Und ich hatte einen Zettel, den mir der Hauptwachtmeister in den Pass gelegt hatte.
    An einer Bushaltestelle suchte ich mir eine Parkmöglichkeit und blätterte in meinem Pass. Es wurde langsam dunkel und der Schneefall heftiger. Ich brauchte einen Anlaufpunkt. Und wenn es nur für eine Nacht war. Diese Grenzüberschreitungsprozedur wollte ich mir heute nicht mehr antun. Das hielten meine Nerven nicht mehr aus, ohne einen Kurzschluss zu bekommen. Und davon hatte ich reichlich in meinem Leben gehabt. Jedes Mal mit verheerender Wirkung ... für mich.
    Der handgekritzelte Zettel dieses Hauptwachtmeisters fiel mir in den Schoß. Hoffentlich war da eine Stelle, an der ich ansetzen konnte. Es gab nicht Schlimmeres, als in einer fremden Stadt nach etwas zu suchen, von dem man nicht wusste, wo es sein könnte. Ein Hotel. Einen Treffpunkt. Ein Ziel, warum man sich diese lange Reise von Köln nach Berlin antat. Mein Ziel war es, meine Tochter zu finden. Mehr nicht. Kolumbus musste sich ähnlich gefühlt haben, als er den langen Seeweg nach Indien gesucht hatte. Er hatte nur geahnt, dass es nach Westen gehen könnte. Meine Richtung war die entgegengesetzte. Aber auch ich hatte, wie Kolumbus, zumindest eine vage Ahnung. »Schlitzaugen« hatte der Grenzer als mögliche Gefahr für diese Luxuskarosse genannt. Meine Tochter fiel unter diese weit verbreitete Definition einer
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